Die Hauptaufgabe der Schilddrüse besteht darin, aus den Bauelementen Tyrosin und Jodid exakt soviel an Schilddrüsenhormonen herzustellen und fein dosiert ins Blut abzugeben, dass dessen Bedarf aller Organe und Zellen im Körper optimal gedeckt wird. Klingt unkompliziert, ist aber bei näherer Betrachtung ein hochkomplexes, fehleranfälliges Geschehen.
Bereits eine entscheidende Voraussetzung – eine gute Jodversorgung – ist auch nach Jahrzehnten der Gesundheitsaufklärung noch längst nicht immer gesichert. Es braucht für die Gesunderhaltung des „launischen Organs“ Schilddrüse und besonders bei einer kranken Schilddrüse noch einiges mehr für einen geordneten Betrieb. Forschungsergebnisse der letzten Jahre zeigen, dass neben Jodid eine ganze Reihe von Mikronährstoffen, Vitaminen und Spurenelementen für das Wohl der Schilddrüse verantwortlich zeichnen.
Jodmangel als Triebfeder vielfältiger Schilddrüsenprobleme
Jodid wirkt als natürliche Wachstumsbremse der Schilddrüse. Dies zeigt schon ein Blick auf den Hals von Menschen, die in Ländern mit sehr guter Jodversorgung leben. Ihre Schilddrüsen sind nicht sichtbar, kaum größer als 5-10 ml und funktionieren dennoch bestens. Verglichen damit liegt die als „normal“ geltende Schilddrüsengröße in den Regionen Westeuropas mit knapper oder mangelhafter Jodversorgung oft doppelt so hoch (bis 18 ml). Jodmangel drängt die Schilddrüse zum kompensatorischen Wachstum und leistet so einer Schilddrüsenvergrößerung (Kropfbildung) Vorschub. Je ausgeprägter der Jodmangel, umso stärker auch die Enthemmung von Wachstumstendenzen in der Schilddrüse. Und je stärker und anhaltender die Wachstumstendenzen, desto höher das Risiko einer Gewebeumwandlung zu Schilddrüsenknoten, die sich dann zu warmen bzw. heißen Bezirken mit Schilddrüsenüberfunktion oder zu kalten Bezirken mit Entartungstendenz in Richtung Schilddrüsenkrebs weiter entwickeln können. Somit gilt Jodmangel heute als (überflüssige) Haupttriebfeder vieler gutartiger und bösartiger Schilddrüsenerkrankungen, und der dadurch ausgelösten Operationen und Komplikationen. Es lohnt sich deshalb, frühzeitig und nachhaltig für eine gute Jodversorgung zu sorgen, um alle Wachstumstendenzen im Schilddrüsengewebe konsequent zu unterdrücken. Neben einer Ernährung mit reichlich natürlichem Jod (Meeresfisch, Algen, jodhaltiges Meeressalz) empfiehlt sich für alle Erwachsenen mit gesunder Schilddrüse die tägliche Zufuhr von 200 Mikrogramm Iodid – besonders wichtig während Schwangerschaft und Stillzeit (250 Mikrogramm). Kinder und Jugendliche sind mit 100 bzw. 150 Mikrogramm Jodid pro Tag gut versorgt. Nur bei Vorliegen einer autoimmunen Schilddrüsenerkrankung gelten andere Regeln, sodass Rücksprache mit dem behandelnden Arzt ratsam ist.
Unverzichtbar für die Schilddrüse: das universelle Antioxidans Selen
Selen hat nicht nur für die Schilddrüse, sondern darüber hinaus für viele Körperzellen eine besondere, multifunktionale Bedeutung. Neben seiner Rolle als universeller Radikalfänger und als zentraler Bestandteil vieler antioxidativer Schutzsysteme (z.B. Glutathionperoxidase, Thioredoxinreduktase) fördert es über mehrere Enzyme (Dejodinasen) unter anderem die Umwandlung von T4 (inaktives Speicherhormon) zu T3 (aktives Wirkhormon). Eine Schilddrüsenunterfunktion kann somit durch Selenmangel verschlimmert werden. Darüber hinaus wirkt Selen günstig modulierend auf entzündliche und autoimmune Prozesse ein, die an der Entstehung der Hashimoto-Thyreoiditis, der Postpartum-Thyreoiditis, des Morbus Basedow und der oft begleitenden endokrinen Orbitopathie beteiligt sind. Die Sicherstellung einer guten Selenversorgung über die Ernährung alleine ist schwierig, weil kaum noch effiziente Selenspender unter den Nahrungsmitteln verfügbar sind, schon gar nicht bei vegetarischer Ernährung und krankheitsbedingt erhöhtem Bedarf. Präventiv empfiehlt sich deshalb die tägliche Zufuhr von 100-150 Mikrogramm, therapeutisch von 200-300 Mikrogramm Selen.
Zinkmangel erschwert die Schilddrüsenhormonbildung
Mehrere Zinktransport-Moleküle sind mittlerweile in unterschiedlichen endokrinen Drüsen, auch in der Schilddrüse, nachgewiesen und bilden die Voraussetzung für eine geregelte Bildung und Freisetzung von Hormonen im jeweiligen Drüsengewebe. Studien an Tiermodellen und beim Menschen konnten zeigen, dass Zinkmangel mit einer Abnahme der Schilddrüsenfunktion und niedrigeren Blutspiegeln an den Schilddrüsenhormonen T4 und T3 verknüpft ist. Umgekehrt normalisieren sich niedrige Schilddrüsenhormon-Konzentrationen (Unterfunktion), wenn ein Zinkmangel durch geeignete Zufuhr ausgeglichen wird. Bei Hinweisen für eine ungenügende Bildung oder Wirkung von Schilddrüsenhormon (insbesondere bei reduzierter Bildung von T3 aus T4) kann es daher sinnvoll sein, einen Zinkmangel auszuschließen oder versuchsweise eine Ergänzung mit Zink (z.B. 20-30 mg/Tag) vorzunehmen. Bei manchen Patienten mit autoimmuner Schilddrüsenerkrankung (Hashimoto-Thyreoiditis) und substitutionspflichtiger Unterfunktion kann Zinkgabe die Schilddrüsenhormonwirkung verstärken, sodass die laufende Substitutionsdosis dann sogar reduziert werden kann. Von den entzündungshemmenden, antioxidativen und immunmodulierenden Eigenschaften von Zink profitieren nicht nur Personen mit familiärer Neigung zu Autoimmunerkrankungen, sondern vor allem Patienten mit den klassischen Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse wie Morbus Basedow und Hashimoto-Thyreoiditis.
Eisenmangel begünstigt Schilddrüsen-Unterfunktion
Eisenmangel tritt vor allem bei jüngeren Frauen auf, die im Rahmen ihrer monatlichen Menstruationsblutungen kontinuierlich erhebliche Mengen an Eisen verlieren und insbesondere bei vegetarischer Ernährung kaum für den nötigen Ausgleich sorgen können. Blasse Haut (Anämie), Erschöpfung, körperliche Schwäche, Infektneigung und Konzentrationsstörungen sind dann keine Seltenheit. Meist zeigen sich bei der Blutuntersuchung entsprechend niedrige Ferritinwerte (unter 50 ng/ml). Eisenmangel reduziert vorwiegend die Bildungsfähigkeit von Schilddrüsenhormon. Grund hierfür ist die bei Eisenmangel verminderte Aktivität des Häm-Eiweißes Schilddrüsenperoxidase, das in den Schilddrüsenzellen entscheidend an der Bildung von Schilddrüsenhormonen beteiligt ist. In mehreren Studien konnte eine kausale Beziehung zwischen Eisenmangel und Schilddrüsenunterfunktion nachgewiesen werden, die sich nach Eisensubstitution normalisierte.
Auch Vitamin A, Magnesium und Vitamin D3 wirken auf die Schilddrüse
Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen aus jüngerer Zeit weisen auf enge Verknüpfungen zwischen der Schilddrüse, ihren hormonellen Regelkreisen und zahlreichen Vitaminen, Spurenelementen und Mineralstoffen hin. So kann das Vorliegen einer Schilddrüsenunterfunktion die Umwandlung von Betacaroten zu Vitamin A erschweren. Vitamin A-Mangel bremst die Bildung und Freisetzung von TSH aus der Hypophyse und damit die TSH-abhängige Aufnahme von Iodid in die Schilddrüse, was die Auswirkungen eines endemischen Jodmangels noch verschärft. Magnesiummangel kann ebenfalls die Jodaufnahme in die Schilddrüse stören und entzündungsfördernd wirken. Magnesiumzufuhr bewirkte in mehreren Studien zur Immunthyreoiditis einen Rückgang diverser psychosomatischer Beschwerden und der typischen Schilddrüsen-spezifischen Antikörper. Vitamin D3 zählt ähnlich wie Selen und Zink aufgrund seiner immunmodulatorischen und entzündungshemmenden Eigenschaften zur „Grundausstattung“ bei Autoimmunprozessen der Schilddrüse, aber auch bei genetischer Vorbelastung, erkennbar am gehäuften Auftreten von Autoimmunerkrankungen im familiären Umfeld.
Oft vernachlässigt: die Schutzwirkung der essentiellen Fettsäuren
Omega-3-Fettsäuren (v.a. Eicosapentaensäure und Docosapentaensäure in Meeresfisch, Rapsöl, Leinöl, Fischöl, Walnüssen, Weidefleisch, Almkäse) sind vor allem als Antioxidantien und Immun- bzw. Entzündungsmodulatoren bedeutsam. Doch sie spielen auch eine wichtige Rolle beim Aufbau funktions- und widerstandsfähiger Zellhüllen. Bei mangelnder Verfügbarkeit dieser hochwertigen essentiellen Fettsäuren geht der Aufbau neuer Zellmembranen unter Verwendung ungünstiger (gesättigter, gehärteter) Fette aus Industrieprodukten vonstatten. Dabei entstehen nicht nur minder funktionsfähige und weniger flexible, sondern auch vermehrt oxidationsanfällige Zellmembranen, die das Immunsystem zur Attacke reizen- und Entzündungsvorgänge (durch Arachidonsäureabkömmlinge, Prostaglandine, Leukotriene) sowie Autoimmunprozesse in Gang setzen können. Insbesondere Patienten mit autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen profitieren daher von einer reichlichen Zufuhr hochwertiger Omega-3-Fettsäuren (2-3 g/Tag) über Nahrungsmittel, Öle und Supplemente (Zielbereich des Omega-3-Index im Vollblut: 8-10).