Unter entzündlichen Erkrankungen der Gelenke und des Bindegewebes, im Volksmund meist „entzündliches Rheuma“ genannt, leidet eine sehr große Anzahl an Menschen. Die rheumatoide Arthritis bildet die gefürchtete Haupterkrankung, doch auch der Lupus erythematodes, die Polymyalgia rheumatica, die Sklerodermie, das Sjögren Syndrom und viele weniger bekannte Autoimmun-erkrankungen des Skeletts, der Gelenkkapseln, Sehnenscheiden und Muskeln zählen dazu.
Meist liegt der medizinische Fokus ganz auf Langzeittherapien mit eingreifenden Medikamenten wie Cortisonpräparaten, Antikörpern, nicht-steroidalen Entzündungshemmer und sog. Basismedikamenten wie Hydroxychloroquin, Azathioprin oder Methotrexat, um das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten und das oft hohe Entzündungs- und Schmerzniveau unter Kontrolle zu bringen. Die therapeutischen Chancen einer günstigen persönlichen Lebensführung werden dabei oft wenig beachtet. Dabei kann heute kein wissenschaftlicher Zweifel mehr bestehen, dass Maßnahmen zur Verbesserung von Ernährung, Darmgesundheit, Mobilität und Mikronährstoffversorgung einen entscheidenden Beitrag leisten, um den Verlauf dieser Autoimmunerkrankungen positiv zu beeinflussen und ihre langfristige Prognose zu verbessern.
Ernährungstipps bei entzündlichem Rheuma
Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass über die Nahrungsauswahl maßgeblicher Einfluss darauf genommen werden kann, was an entzündungsfördernden bzw. entzündungshemmenden Wirkstoffen in den Körper aufgenommen wird. Doch nicht nur die Auswahl, Verteilung und Qualität der Nahrungshauptkomponenten wie Kohlenhydrate (möglichst komplex), Eiweiße (möglichst pflanzlich oder tierisch in Form von Meeresfisch und Wild) und Fette (günstige Öle wie Rapsöl, Leinöl, Olivenöl) ist relevant, sondern auch die mit der Nahrung aufgenommen Vitamine, Mikronährstoffe und Spurenelemente. Und nicht nur, was dem Körper an günstigen Komponenten zugeführt wird, ist bedeutsam, sondern auch was an potentiell schädlichen oder das Immunsystem störenden Faktoren aussortiert wird. Zu den bei Autoimmunerkrankungen erwiesenermaßen ungünstigen Nahrungsmitteln zählen alle Laktose-haltigen Kuhmilchprodukte, Gluten-haltige Getreide sowie aus der industriellen Massentierhaltung stammendes Fleisch. Alleine diese einfache, wenngleich manchmal einschneidende Ernährungsumstellung hin zu einer mehr pflanzlichen Ernährungsweise mit frischem Gemüse, Obst, Früchten und Meeresfisch aus wenig belasteten Regionen (Nordatlantik und -pazifik) hat in wissenschaftlichen Studien aus jüngerer Zeit sehr positive Effekte auf den entzündlichen Schweregrad, das Fortschreiten und den Langzeitverlauf rheumatischer Erkrankungen gezeigt.
Industriell verarbeitete Nahrungsmittel aussortieren
Frisch, saisonal, und regional, also möglichst direkt vom Erzeuger bezogen, lautet die gesundheitsbewusste Devise, die nicht nur den Stoffwechsel, sondern auch das Universum der Darmbakterien erfreut. Zu vermeiden gilt es vor allem stark verarbeitete, mit Zuckern, Salz, Konservierungsmitteln und Geschmacksverstärkern versetzte Nahrungsmittel und Getränke. Auch entzündungsfördernde Verarbeitungsmethoden wie Frittieren, Grillen, Panieren unter starkem Erhitzen sollten unterbleiben. Während viele Konservierungsmittel und Emulgatoren den günstigen Darmbakterien und ihren entzündungshemmenden Stoffwechselprodukten (z.B. kurzkettige Fettsäuren wie Butter- und Propionsäure) den Garaus machen, können fermentierte Lebensmittel wie Fasssauerkraut, Fassgurken, Kombu und Miso sowie Milchsäurebakterien-Spender wie spezielle Joghurts und Kefir helfen, das Darmmikrobiom zu stabilisieren. Nur ein vielfältiges Darmmikrobiom gewährleistet eine gute Darmschleimhaut mit intakter Barrierefunktion (Vermeidung von Durchdringen von Bakterien, Viren und Schadstoffen) und guter Aufnahmekapazität für Vitamine und Mikronährstoffe. Die enorme Bedeutung eines ausgeglichenen, an Laktobazillen reichen Mikrobioms für ein balanciertes Immunsystem, für die Produktion kurzkettiger Fettsäuren als Entzündungsmodulatoren sowie für die Abwehr entzündungsfördernder Darmpassagiere offenbart sich der Wissenschaft erst seit wenigen Jahren und liefert nun immer tiefere Einblicke in die Möglichkeiten, entzündliche rheumatische Erkrankungen über einen günstigen Lebensstil nachhaltig positiv zu beeinflussen.
Unverzichtbare natürliche Wirkstoffe: Vitamine und Mikronährstoffe
Trotz einer enormen Vielzahl von Berichten über mögliche Wirkungen von Vitaminen und Mikronährstoffen bei rheumatischen Erkrankungen gibt es in der rheumatologischen Literatur nur wenige Wirkstoffe, bei denen ein wissenschaftlicher Konsens über belegbare günstige Effekte existiert. Hierzu zählen insbesondere Selen (200-300 mcg/Tag), Zink (15-30 mg/Tag), die natürlichen Tocopherole und Tocotrienole (nicht-synthetisches Vitamin E), Folsäure (400-800 mcg/Tag) und natürliche Omega3-Fettsäuren (Meeresfisch, Krill, Algen, 2-3-g/Tag)..Aufgrund ihrer besonderen schützenden Wirkungen auf den Knochen, die Gelenke, das Bindegewebe und insbesondere das Immunsystem ist eine ausreichend hoch dosierte Kombination von Vitamin D (3000-5000 IE/Tag) und Vitamin K2 (150-200 mcg/Tag) von grundsätzlicher Bedeutung und sollte fester Bestandteil jeder rheumatologischen Behandlung sein.
Das Potential entzündungshemmender Gewürze ausschöpfen
Am Beispiel der Teufelskralle und des Weihrauchs lässt sich erkennen, wie seit Urzeiten bekannte und traditionell eingesetzte Pflanzen- und Naturwirkstoffe die Behandlung rheumatischer Erkrankungen verbessern und wirksam ergänzen können. Ähnliche entzündungshemmende Eigenschaften besitzen aber auch zahlreiche Pflanzeninhaltsstoffe (Polyphenole) und Gewürze, die sich problemlos in die tägliche Ernährung einbauen lassen. In der rheumatologischen Literatur am besten untersucht und für wirksam befunden sind Curcuma (Gelbwurz), Knoblauch und Ingwer, ferner Safran und Zimt. Darüber hinaus gelten einige in der Mittelmeerkost gängige Gewürze wie Oregano und Rosmarin neben dem unverzichtbaren kalt gepressten Olivenöl und einigen Tassen grünem Tee (Epigallocatechingallat, EGCG) als vorzügliche Entzündungsmodulatoren, die zudem das Darmmikrobiom unterstützen.
Dass eine klug zusammengestellte, vitalstoffreiche Ernährung die Gesundheit von Patienten mit entzündlichen Erkrankungen fördert, wussten schon Ärzte der Antike (Hippokrates) und des Mittelalters (Paracelsus), auch wenn sie von den faszinierenden Details des Immunsystems und des Darmmikrobioms noch nichts ahnen konnten.