Auch die besten über den Darm verabreichten Medikamente mit der höchsten Evidenz wirken nur optimal, wenn sie tatsächlich eingenommen werden. Diese Aussage ist von hoher ethischer Brisanz und von höchster Wichtigkeit für den Erfolg jeglicher modernen Medizin.
Haynes schreibt sogar, dass der Einfluss auf die Gesundheit durch Steigerung der Therapietreue höher ist als durch Entwicklung neuer Medikamente(1). Therapietreue liegt demnach aber nur dann vor, wenn in Abhängigkeit vom Medikament mindestens 60–90 % der verordneten Medikamente regelmäßig eingenommen werden(2).
Jetzt kam zu diesem Thema eine bestürzende Veröffentlichung von der deutschen Krebsgesellschaft, wonach bis zu 84 % aller Patienten ihre Medikamente nicht ordnungsgemäß einnehmen(2, 3).
Als unumstößliche Konsequenz aus diesen Aussagen ergibt sich für Patienten, dass sie unbedingt die verordneten Medikamente regelmäßig einnehmen müssen und für Therapeuten, dass sie möglichst nur Medikamente verordnen sollten, bei denen sie mit hoher Sicherheit davon ausgehen können, dass Patienten diese auch regelmäßig einnehmen und dass sie die Patienten von der Notwendigkeit dieser regelmäßigen Einnahme überzeugen können. Eingenommene Medikamente wirken nur dann wie gewünscht und wie in Studien prognostiziert, wenn sie ausreichend bioverfügbar sind – und dazu ist es unbedingt notwendig, dass neben entsprechender Galenik der Magen-Darm-Trakt und die Leber optimal funktionieren – und zwar schon vor der Einnahme eines Medikaments! Da sind nun wiederum das Wissen und die Compliance des Therapeuten gefragt.
Denken Sie darüber nach.
Ihr Udo Böhm
Quellen:
- Haynes et al.; Interventions for helping ptients to follow prescriptions for medications; Cochrane Database Syst Rev 2002; CD000011:2
- Neckermann K, Schinköthe T; Fehlende Therapietreue und Möglichkeiten der Steigerung; Forum 2018;2;140
- Foulon V et al.; Patients adherence to oral anticancer drugs: an emerging issue in modern oncology; Acta clin Belg 2011; 66;85-96