Einen faszinierenden Dreh- und Angelpunkt der aktuellen medizinischen Forschung bildet die Entschlüsselung und Steuerung des Darm-Mikrobioms, also der 1014 Bakterien, über die man noch vor wenigen Jahren als 1,5 kg schwere, nutzlose und stinkende Biomasse im Darm bestenfalls die Nase gerümpft hatte.
Heute werden aus Stuhlproben die Zusammensetzung der Darmflora mit ausgeklügelten mikrobiologischen und molekularbiologischen Techniken analysiert, alle Veränderungen in den Populationen der Darmbakterien im Detail registriert und ihr Zusammenhang mit klinischen Beschwerden und Krankheitsbildern studiert. All dies mit dem Ziel, nach Wegen zu suchen, wie sich ein ausgeglichenes, vielfältiges Mikrobiom aufbauen, stabilisieren oder wieder herstellen lässt. Einen entscheidenden Schritt zur Vermeidung von Fehlbesiedelungen geht bereits, wer die für ein günstiges Darmmilieu sorgenden Nährstoffe kennt und die nützlichen Ballaststoffe, Präbiotika und Probiotika gezielt in seinen Speiseplan einbaut.
Ballaststoffe: Lieblingsspeise der Darmbakterien
Wer viel Zucker (einfache Kohlehydrate, Stärke), ungünstige Fette („schlechte Öle“, Transfette) und übermäßig Eiweiß (Fleisch, Kuhmilchprodukte) konsumiert, zudem noch in Form industriell verarbeiteter Produkte mit Konservierungsmitteln, Emulgatoren und Geschmacksverstärkern, lässt seinem Darmmikrobiom kaum eine Chance: günstige Bakterienstämme werden mangels bevorzugter Nahrungskomponenten verdrängt (schwindende Vielfalt bzw. geringe Diversität) oder ganz eliminiert. In dieses Vakuum stoßen sofort ungünstige, vom Junkfood „gehätschelte“ Bakterienpopulationen vor, die sich fortan im Darm breit machen oder ihn nach und nach ganz für sich in Beschlag nehmen. Das Resultat ist eine ausgeprägte Fehlbesiedelung (Dysbiose) oder gar Überwucherung des Darmes. Und dies ist keineswegs ein Pappenstiel, sondern eine besorgniserregende Entwicklung, ja die Wurzel vielfältiger und verwirrender Übel von Darmbeschwerden, Erschöpfung und Entzündungsproblemen über Leberverfettung und Diabetesneigung bis hin zu psychischen Störungen und Autoimmunerkrankungen. Grundregel Nummer 1 lautet deshalb: Ein vielfältiges, gesundes Mikrobiom braucht für sein Wachstum und Gedeihen reichlich Ballaststoffe (Präbiotika).
Präbiotika bilden die Grundlage für einen gesunden Darm
Wer ungünstige Lebensumstände und Ernährungsfehler erkennt und beseitigt, schafft bereits eine gute Grundlage für ein vielfältiges, stabiles Mikrobiom. Im nächsten Schritt gilt es dann, die Bedürfnisse und Ernährungsvorlieben der erwünschten Bakterienstämme zu kennen und sie gezielt zu unterstützen. Günstige Ballaststoffe mit präbiotischer Wirkung gelangen unverdaut in den Dickdarm, weil sie von den menschlichen Verdauungsenzymen nicht abgebaut werden können. unverdaut in den Dickdarm. Die wichtigsten sind Leinsamen, Flohsamenschalen, Hafer- und Weizenkleie, Vollkornhirse, Buchweizen, faserreiche Gemüse aller Art, Amylopektin (Obst mit Schalen) sowie resistente Stärke (z.B. grüne Bohnen). Bevorzugt kombinierbare pflanzliche Lebensmittel mit reichem Gehalt an natürlichen Präbiotika sind auch Sojabohnen, Mais, Bananen, Zwiebeln, Lauch, Chicorée, Artischocken, faserreiche Zitrusfrüchte sowie gekochte Kartoffeln, die man über Nacht zum Abbau der einfachen Stärke auskühlen lässt. Wenngleich für den menschlichen Bedarf nicht verwertbar, bilden diese löslichen Ballaststoffe aus Obst und Gemüse einen idealen Nährboden für die Bakterienflora und sollten deshalb im täglichen Speiseplan stark repräsentiert sein.
Auch sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe wirken probiotisch
Zu den sekundären Pflanzeninhaltsstoffen mit hoher gesundheitsfördernder Bioaktivität zählen insbesondere Polyphenole (Procyanidine, Flavonoide, Anthocyane), Carotinoide, Phytosterine, Glucosinolate und Phytoöstrogene. Sie alle wirken ähnlich wie pharmazeutische Medikamente, jedoch auf natürlicher, pflanzlicher Basis. Zu ihren Haupteigenschaften zählen die Steuerung eines gesunden Zellwachstums, der Zellschutz, die Entzündungshemmung, die keimhemmende Aktivität, die Gegenregulation schädlicher freier Radikale sowie die Aufrechterhaltung einer vielfältigen stabilen Darmflora und eines damit verknüpften balancierten Immunsystems. Als beste Quellen gelten Beeren, Blätter und Trauben der Rotweinreben (ebenso wie Traubenkerne und Rotwein), Granatapfel, Ginkgo, Kakao (Flavonole), Grün- und Schwarztee (Tannine, Epicatechine) sowie Curcuma (Gelbwurz).
Probiotika: lebende Kulturen als Unterstützung der Präbiotika
Als Probiotika werden lebende, stoffwechselaktive Mikroorganismen bezeichnet, die oral zugeführt werden, in den Verdauungstrakt gelangen, sich dort bei günstigen Rahmenbedingungen ansiedeln und ihre erwünschten Eigenschaften entfalten. Dazu zählen die Unterstützung nützlicher Bakterienstämme, die Verdrängung unerwünschter Keime wie Fäulnisbakterien, die Entzündungshemmung sowie die Regeneration und Stabilisierung einer angegriffenen Darmschleimhaut. Darüber hinaus sind probiotische Kulturen in der Lage, zahlreiche Vitamine (u.a. Vitamin B6, B12, Vitamin K, Biotin, Folsäure) und kurzkettige Fettsäuren (Butter-, Propion- und Essigsäure) zu bilden, die sie für den Aufbau der Darmschleimhaut und für die Bedürfnisse des gesamten Organismus zur Verfügung stellen. Die bekanntesten Vertreter der Probiotika sind Laktobazillen unterschiedlicher Gattungen, Bifidobakterien sowie Saccharomyces boulardi (lyophilisierte Trockenhefe). Sie kommen einzeln oder in Kombination als hochdosierte Keimaufbereitungen zu therapeutischen Zwecken (z.B. bei Darmentzündung, bei gestörter Barrierefunktion der Darmschleimhaut, bei gestörtem Mikrobiom nach Antibiotikagabe, bei Durchfallerkrankungen) zum Einsatz. In niedriger Konzentration können sie in probiotischen Lebensmitteln (z.B. Joghurts) vorbeugend oder unterstützend zugeführt werden.
Füttern Sie täglich Ihr Mikrobiom, ihrer Gesundheit zuliebe
Voraussetzung für ein vielfältiges Darmmikrobiom ist eine regelmäßige abwechslungsreiche Nahrungsmittelzufuhr, vorwiegend auf pflanzlicher Basis: reich an Ballaststoffen, sekundären Pflanzeninhaltsstoffen und fettmodifiziert, also unter Verwendung günstiger Öle. Die Prinzipien „saisonal, regional, biologisch, unverarbeitet“ gilt es zu beachten und Ernährungsfehler zu vermeiden Gesundheitsfördernde Darmbakterien sollten wie ein Schatz gehegt und gepflegt werden. Gerne werden sie dann im Gegenzug eine gesunde Darmschleimhaut, viele gesundheitsfördernde Botenstoffe und ein ausgeglichenes, abwehrbereites Immunsystem bereitstellen.