Die heutige wissenschaftliche Medizin fordert als Hauptkriterium für ihre Wirksamkeit eine sogenannte „Evidenz“, die sich im Wesentlichen auf die Ergebnisse von Studien beruft und als „Studien-Evidenz“ bezeichnet werden könnte.
Bei dieser Evidenz handelt es sich um eine „relative“ Evidenz, bei der üblicherweise eine ärztliche Maßnahme bezüglich ihrer Wirksamkeit mit einer anderen Maßnahme, wie zum Beispiel einem Placebo, verglichen wird. Es sei hierzu angemerkt, dass diese Evidenz nicht unumstritten ist und andere für die Wirkung von medizinischen Maßnahmen wichtige Kriterien wie die Compliance des Patienten und des Arztes, die Funktionsfähigkeit des Magen-Darm-Trakts oder biochemische Grundlagen, häufig nicht berücksichtigt werden.
Leider wird diese Studien-Evidenz zudem auf Grund von Missverständnissen und Wissensmängeln häufig fehlinterpretiert. Davon betroffen ist zum Beispiel die Orthomolekularmedizin, die vor allem mit Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, Fettsäuren, Aminosäuren und sekundären Pflanzenstoffen in unterschiedlichen Dosierungen und Wirkstärken – niedrigdosiert in der Prävention und hochdosiert in der Behandlung – arbeitet. Ihr wird von schlecht informierten „Experten“ häufig vorgeworfen, dass ihr jegliche Evidenz fehle. Diese Behauptung ist falsch.
Zur Begründung dieser meiner Einschätzung muss ich zunächst die Grundlagen der Evidenz vorstellen. Es wird derzeit über 4 Studien-Evidenzklassen gesprochen, von denen aber nur die Klassen 1 und 2 von der wissenschaftlichen Medizin als wertvoll anerkannt werden.
- Es muss sich um Reviews, Meta-Analysen oder um hochwertige randomisierte kontrollierte Studien handeln.
- Die Ergebnisse der kritischen Betrachtung müssen homogen, reproduzierbar, positiv und unempfindlich gegenüber äußeren Einflüssen sein.
Eine Maßnahme, die diese Kriterien erfüllt, ist in diesem Fall unbedingt empfehlenswert, ihre Wirksamkeit gilt als bewiesen.
In Bezug auf die Orthomolekularmedizin gilt die Evidenzklasse 1 zumindest für die Therapie bestimmter Mangelerkrankungen, wie Eisen-, Zink-, Jod-, Folsäure-, Vitamin B12-, Vitamin C- oder Vitamin D-Mangel, wo zudem keinerlei alternative Behandlungswege vorliegen.
- Es muss sich um randomisierte kontrollierte Studien mindestens „mäßiger Qualität“, um gut geplante Kohortenstudien oder um Fall-Kontroll-Studien handeln.
- Ihr Evidenzniveau gilt dann als hoch, wenn die Ergebnisse bei kritischer Betrachtung in der Mehrzahl der Studien als positiv beurteilt werden.
Man spricht dann von einem „Standard of Care“. Die Maßnahmen sind für die Nutzung in der Medizinpraxis anerkannt und werden teilweise auch als „Therapie der Wahl“ klassifiziert.
Für die präventiven und therapeutischen Indikationen, bei denen Mikronährstoffe sinnvoll eingesetzt werden können (z.B. in der Kardiologie, der Onkologie, der Orthopädie, der Augenheilkunde, der Dermatologie oder der Gynäkologie) liegen fast ausnahmslos mindestens Studien der Evidenzklasse 2 und vermehrt auch der Evidenzklasse 1 vor. Die entsprechenden Daten sind bei entsprechendem Interesse für jeden Mediziner in Datenbanken oder der aktuellen Fachliteratur zugänglich.
Dies bedeutet, dass die Wirksamkeit der Orthomolekularmedizin ausreichend abgesichert ist und – zumindest komplementär – für den Einsatz in der evidenzbasierten Medizin geeignet ist. Der Vorwurf fehlender Evidenz ist deshalb heute ganz sicher nicht haltbar. Ärztliche Meinungsbildner, die dies ohne stichhaltige Beweise weiterhin behaupten, müssen sich ihrerseits den Vorwurf der bewussten und absichtlichen Falschinformation gefallen lassen.
Weiters möchte ich auf eine zweite und leider häufig von Medizinern vernachlässigte Evidenzart hinweisen: die „biochemische Evidenz“. Hierbei handelt es sich im Gegensatz zur oben genannten relativen Studien-Evidenz um eine objektive Evidenz, die besagt, dass die Effekte einer Substanz im menschlichen Stoffwechsel auf abgesicherten biochemischen Grundlagen beruhen. Ein Mangel an diesem Stoff bewirkt dann zum Beispiel, dass lebensnotwendige Stoffwechselvorgänge verzögert oder gar nicht mehr ablaufen. Für die Orthomolekularmedizin liegt eine hohe biochemische Evidenz vor, weil ihre Aufgaben im menschlichen Stoffwechsel bekannt sind, was in jedem Biochemiebuch nachgelesen werden kann und weil damit die Notwendigkeit und Unverzichtbarkeit einer optimierten Versorgung mit Mikronährstoffen nachgewiesen ist.