Der Blick auf die Gegenwart und in die Zukunft unserer Ernährung verheißt wenig Gutes! Während einige Romantiker von nur noch biologisch und organisch angebauten Lebensmitteln träumen und Ökologie zur einzig wahren Lebensphilosophie erklären, arbeiten die Giganten der Lebensmittelkonzerne genau in die gegenteilige Richtung.
Kaum noch etwas gelangt in den Handel, was nicht in Plastik eingeschweißt, in gelackte Dosen abgefüllt oder in Schweröl-kontaminierte Kartons verpackt wäre. Und dann erst der Inhalt: billig produzierte oder weltweit zusammengekaufte Bestandteile, vermischt mit viel Zucker und abgeschmeckt mit allen lebensmitteltechnischen Tricks, über die industrielle Großkonzerne mit ihren Forschungslabors und Mega-Etats heute verfügen. Mit von der Partie natürlich reichlich Zusatzstoffe, Konservierungsmittel, Emulgatoren, Farbstoffe, Geschmacksverstärker und künstliche Aromen. Ganz zu schweigen von undeklarierten Hormonen, Antibiotika und allerlei Chemikalien zur Ertragssteigerung, Schädlingsbekämpfung, Unkrautvernichtung, Keim-Minimierung und Schimmelprophylaxe. Hauptsache, das käufliche Endprodukt vermittelt irgendwie haptisches Wohlgefühl in Mund und Nase und verleitet unbewusst zum Wiederkauf durch Suchtauslösung im Gehirn. Wohlstandserkrankungen wie Insulinmast, Übergewicht, Darmlecks, Unverträglichkeiten, Autoimmunprobleme und Mikrobiomschädigung werden dabei als „friendly fire“ wohlwollend einkalkuliert, halten sie doch so ganz nebenbei den lukrativen medizinisch-industriellen Komplex am Laufen.
Industrienahrung mit möglichst viel Zucker
Der US-amerikanische Kinderarzt und Endokrinologe, Prof. Dr. Robert Lustig, San Francisco/USA, weist seit Jahren auf die katastrophalen gesundheitlichen Folgen einer völlig überzuckerten industriellen Nahrungsmittelherstellung hin und mahnt (bislang erfolglos) eine gesetzliche Regulierung zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung an. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts stieg der Gehalt an Zucker in der täglichen Ernährung von 15 g/Tag auf 95 g/Tag Anfang des 21. Jahrhunderts. Bis zu 74 % aller in amerikanischen Supermärkten erhältlichen Produkte sind mittlerweile mit künstlichen Zuckervarianten versetzt. So hat sich der weltweite Zuckerkonsum in nur 50 Jahren (1960-2010) glatt verdreifacht und steigt seitdem ungebremst weiter. Hinzu kommt, dass die immer umfangreichere Verfügbarkeit von Fruktosekonzentraten aus billigem Mais-Sirup die Kosten für Zuckerzusätze halbiert hat. Damit wurden quasi Ramsch-Konditionen für die Erzeugung minderwertiger, Abhängigkeit-erzeugender Industrienahrungsmittel geschaffen, die als Schoko- und Erdbeer-Milch im Pausenverkauf an Grundschulen, als „Fruchtquark“- und Eiscreme-Kreationen in den Kühlschränken von Haushalten oder als Limonadenbrause in 2-Liter-Flaschen auf den Couchtischen landen. Die Folgen dieses Irrsinns sind gigantisch: 185.000 Menschen sterben weltweit pro Jahr am Konsum künstlich gezuckerter Getränke. Weit über 200 Milliarden Dollar an „Gesundheits“-Kosten verschwenden die USA Jahr für Jahr alleine für die Bewältigung des durch gezuckerte Industrienahrung angeheizten metabolischen Syndroms und seiner Folgeerkrankungen. Und all dies weitgehend sinnlos, steigen doch Morbidität und Mortalität infolge ernährungsabhängiger Volkserkrankungen ungebremst seit Jahrzehnten, nicht nur in USA, sondern nahezu weltweit.
Künstliche Zucker- und Fruktosezusätze wirken wie eine Droge
Wählt man sich am Drive-Thru-Schalter eine Fastfood-Mahlzeit, steigt der Gesamt-Zuckergehalt des Essens durch die Hinzunahme eines Softdrinks um das Zehnfache! Die dadurch ausgelöste Insulinmast im Körper bleibt in der Bauchregion und auf den Hüften nicht lange unbemerkt. Auf regelmäßige Zuckerzufuhr programmierte Menschen („Zucker-Craving“) bemerken bei Ausbleiben der „Droge Zucker“ bald Entzugserscheinungen, die sich durch Reizbarkeit, Unwohlsein, Zittrigkeit, Ängste oder depressive Reaktionen äußern, einem Opiat- oder Alkoholentzug ähneln und am einfachsten durch rasche Zuckerzufuhr abzustellen sind. Besonders fatal wirkt sich der massive Zusatz von künstlichem Fruchtzucker (Fruktose) in Softdrinks aus (bis zu 65 %!): Fruktose löst im Gehirn ein unwiderstehliches, Kokain-ähnliches Belohnungsverhalten aus, enthemmt das im Magen freigesetzte Hungerhormon Ghrelin, blockiert das Aufkommen von Sättigungsimpulsen und fördert durch starke Insulinausschüttung rasch eine Leberverfettung. Zucker und Fruktose sollten daher nicht nur als Träger leerer Kalorien, sondern als suchtauslösende Giftstoffe und in Kombination mit ungünstigen Fetten, reichlich Salz, Geschmacksverstärkern und Koffein als regelrechter Frontalangriff auf die Gesundheit ihrer Konsumenten angesehen werden.
Besonders fatal: Zucker plus Salz plus schlechte Fette plus Koffein
Industrielle Nahrungsmittelherstellung oder anders formuliert – Nahrungsmittelverunstaltung – geht jedoch weit über den Einsatz grotesker Mengen an Zuckerzusätzen hinaus. Künstliche Fette, sogenannte Transfette, exzessive Mengen an Salz und Geschmacksregulierern erweitern das kulinarische Desaster mit einem breiten Arsenal an Zusatzstoffen und Konservierungsmitteln. Der hohe Fett- und Salzgehalt von Fastfood in Verbindung mit Zucker spricht direkt die Belohnungssysteme im Gehirn an und sorgt bei hoher Energiedichte und spät einsetzender Sättigung für eine exzessive Kalorienzufuhr. Hinzu kommt noch – besonders perfide – der Zusatz von Koffein in vielen Modegetränken, wodurch Gewöhnung, Entzugserscheinungen und psychische Abhängigkeit hervorgerufen werden. Als eindeutig suchterzeugender Wirkstoff vielen Softdrinks und Schokoladengetränken zugesetzt, erreicht Koffein seine beabsichtigten Verführungseffekte in Verbindung mit hohen Zuckerzusätzen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gleichermaßen. Während nur 8 % der Konsumenten den Unterschied zwischen koffeinhaltigen und koffeinfreien Brausen bewusst wahrnehmen, öffnen diese Getränke bei koffeinabhängigen Kunden geradewegs die Türen zu Fastfood-Lokalen, wo die Quadriga aus Fett, Zucker, Salz und Koffein an jeder Ecke schon lauert und zu regelmäßigem Konsum verleitet.
Eine Lösung des Problems kann nur individuell erfolgen
Ob es gelingen kann, weltweit agierenden und mit der Politik eng vernetzten Mega-Konzernen durch gesetzgeberische Maßnahmen Einhalt zu gebieten und sie zur Produktion gesundheitsorientierter Lebensmittel zu bewegen, darf bezweifelt werden. Eine realistische Gegenwehr kann nur auf individueller Basis oder in Organisationsformen gleichgesinnter Informierter erfolgen: durch bewussten Verzicht auf manipulierte Nahrungsmittelerzeugnisse, durch konsequente Verweigerung von Industrienahrung und durch Schaffung transparenter und intelligenter Alternativangebote. Denn der Handel folgt dem Motto: was nicht läuft und den erwarteten Profit abwirft, wird aussortiert und nicht weiterverfolgt. Nur die bewussten Entscheidungen in den Gehirnen informierter und reflektierender Verbraucher können die Giganten der Lebensmittelbranche zum Umdenken zwingen. Nur wer ihr Spiel durchschaut, in das Karussell gar nicht erst einsteigt oder es konsequent verlässt, wahrt seine Chance auf selbstbestimmte Ernährung und Lebensführung. Aber genau deshalb lassen die Food-Designer ja nichts unversucht, um die Gehirne der Konsumenten mit suchterzeugenden Zusatzstoffen zu vernebeln, die Belohnungssysteme ihrer Opfer zu manipulieren und sie in einer Spirale aus permanentem Verlangen, drohendem Entzug und dringlicher Erlösung gefangen zu halten – und dabei auszunehmen.