In Japan, in vielen weiteren asiatischen Ländern, aber auch an den Küsten des Pazifiks und Nordatlantiks stehen sie schon immer regelmäßig auf dem Speiseplan: Meeresalgen. Eine überaus gesunde Tradition, wie sich bei näherer wissenschaftlicher Betrachtung der Inhaltsstoffe und Wirkweisen von Meeresalgen herausstellt.
Ganz zaghaft tauchen Wakame-Algen, Algensalat, Algen-Chips und Algen-Pulver nun auch in Lebensmittelgeschäften des europäischen Festlandes auf. Dabei können sie in mannigfaltiger Form zubereitet werden – als Vorspeise, Gemüse zum Hauptgang, ja sogar als Nachtisch, Zwischenmahlzeit oder Frühstück. Der gesundheitliche Nutzen von Meeresalgen („Gesundheits-Power“ aus dem Meer) sei – so heißt es – vielen anderen Lebensmitteln weit überlegen und bezüglich Nährstoffdichte unerreicht. In Zeiten von neuen Ernährungsformen wie Veggie-Burgern, Laborfleisch, Heuschrecken und Mehlwürmern dürfte sich ein genauerer Blick auf die Meeresalgen als innovatives, wenngleich uraltes „Superfood“, lohnen.
Von Okinawa lernen heißt Gesundheit lernen
Zugegeben, der verblüffende Unterschied beim Vergleich der westlich-industriellen Ernährung und der natürlichen Ernährungsweise der Bevölkerung auf der japanischen Insel Okinawa beschränkt sich nicht alleine auf den täglichen reichlichen Konsum von Meeresalgen. Doch diese bilden das Rückgrat der dortigen traditionellen Ernährungsform, die grundsätzlich pflanzlich ausgerichtet ist und überwiegend vom Meer (Fisch, Krustentiere, Tintenfische, Meeresgemüse, Algen) geprägt ist. Die auf Okinawa äußerst niedrige Rate an Brustkrebs und Prostatakrebs, aber auch an Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes und Demenz steht in krassem Gegensatz zu den sehr hohen Erkrankungsraten in westlichen Ländern, wo diese „Zivilisationserkrankungen“ die trostlose Realität in Arztpraxen und Kliniken bilden. Und an Auswanderern von Asien nach USA und Europa lässt sich eindrucksvoll beobachten, wie mit der Aufgabe ihres Ernährungsstils und Übergang zur westlichen Ernährungsunkultur der gesundheitliche Vorteil mit den Jahren und von Generation zu Generation immer mehr schwindet. Was also ist das Besondere an Meeresalgen, welche Erklärungen bieten sich nach heutigem wissenschaftlichem Kenntnisstand an?
Meeresalgen: Ein Potpourri gesundheitsfördernder Wirkungen
Braune Meeresalgen weisen ein breites Spektrum an Inhaltsstoffen auf, u.a. schwefelhaltige Polysaccharide (Alginat, Fucoidan), Eiweiße, Polyphenole, Carotinoide, Phytosterole und langkettige mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren. Hieraus leitet sich eine Vielzahl günstiger Effekte ab, die sich grob in drei Hauptkategorien zusammenfassen lassen: die antioxidative Kapazität, die entzündungshemmenden Wirkungen und die immun-modulierenden und antiallergischen Eigenschaften. Viele Detailmechanismen sind heute erforscht: während die starke antioxidative und entzündungshemmende Wirkung verschiedenen Polyphenolen, Iod-Verbindungen und Phytosterinen zugeordnet werden kann, sind vorrangig Fucoxanthine für die Hemmung allergiefördernder Botenstoffe (Interleukin-4, Immunglobulin E) aus eosinophilen Zellen sowie für die Stabilisierung von Mastzellen verantwortlich. Die von braunen Meeresalgen ausgehenden balancierenden Effekte auf das Immunsystem dürften vorwiegend auf die Wirkstoffgruppe der enthaltenen Fucoidane zurückzuführen sein.
Breites Einsatzgebiet in Prävention und Therapie
Das Spektrum an Krankheitsbildern, die sich angesichts dieser Qualitäten positiv beeinflussen lassen, ist entsprechend groß: Stoffwechselerkrankungen, Diabetes, Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen, allergische Erkrankungen, neurodegenerative Erkrankungen bis hin zu Krebs. Überall, wo pro-oxidativ agierende freie Sauerstoffradikale, komplexe entzündliche Vorgänge und durch ein gestörtes Immunsystem anzutreffen sind, kann der Einsatz brauner Meeresalgen von Nutzen sein. Dies bedeutet, dass sich braune Meeresalgen wie Kelp nicht nur zur Behandlung etablierter Erkrankungen eignen, sondern ideal auch zu deren Vorbeugung und Progressionshemmung eingesetzt werden können.
Meeresalgen: Natürliche Hauptquelle für Iodid und molekulares Iod
Das Spurenelement Iodid gilt als wichtiger Baustein für Schilddrüsenhormone und als Hauptbremse für das Wachstum und die Entartung von Schilddrüsengewebe. Um die gröbste Mangelversorgung von Bevölkerungen zu vermeiden, wird es entweder im Rahmen der Nahrungskette künstlich angereichert oder in Form von industriell iodiertem Speisesalz bereitgestellt. Kaum bekannt ist hingegen eine weitere Iod-Variante, das molekulare Iod, auch di-atomares Iod (I2) genannt, die vorwiegend von Meeresalgen aus dem Iod-Pool der Weltmeere angereichert und in konzentrierter Form gespeichert wird. Braunalgen wie Kelp besitzen diese Fähigkeit in besonderer Weise und bilden – sofern sie in sauberen Gewässern ohne Schweröl-, Schwermetall- und Umwelttoxin-Belastungen wachsen – eine hervorragende Quelle von natürlichem Iodid und molekularem Iod. Während Iodid insbesondere das problematische Wachstum der Schilddrüse eingrenzt, wirkt molekulares Iod bremsend auf Brust- und Prostatagewebe, verhindert dort das ausufernde Wachstum (Hyperplasie) und die Entartung von Zellen in Richtung Krebsvorstufen (Dysplasie) und Krebs.
Die tägliche Dosis Gesundheit: eine Prise Kelp
Gegen den Konsum von Meeresalgen bestehen nur wenige Bedenken: einerseits die mögliche Belastung mit Schadstoffen, die im Meer von Algen angereichert werden können. Zum Verzehr sind deshalb nur Meeresalgen ratsam, die in küstennahen Gewässern ohne oder mit niedriger Schadstoffbelastung (Nordpazifik, Nordatlantik) gedeihen und dort von verantwortungsvoll agierenden Firmen geerntet und weiterverarbeitet werden (Prüfdokumente, Analysezertifikate). Ferner könnte die Schilddrüsenfunktion bei manchen Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen (warme/heiße Knoten, Morbus Basedow, Hashimoto-Thyreoiditis) gestört werden und sollte deshalb vom Spezialisten beobachtet werden. Menschen in Okinawa mit lebenslang sehr hoher Zufuhr von Iodid und molekularem Iod weisen jedoch nicht vermehrt Schilddrüsenprobleme auf. Ganz im Gegenteil: deren Schilddrüsen sind meist sehr klein, funktionieren hervorragend und bleiben dauerhaft Knoten- und Tumor-frei. So wie ihre Brust- und Prostata-Drüsen. Eine tägliche kleine Prise Meeresalgen über Salat oder Gemüse – beispielsweise in Form von getrocknetem Kelp-Pulver – ist also mehr als nur einen Gedanken wert.