Kennen Sie auch diese lästigen Missempfindungen in der Hand, wenn Sie morgens aus dem Schlaf erwachen? Bemerkten Sie auch schon ein Kribbeln und Taubheitsgefühle nach dem Aufstehen, die erst nachlassen, wenn Sie die Hand kräftig ausschütteln? Oder verspüren Sie gar quälende Schmerzen in der Hand, wenn Sie das Lenkrad halten, mit dem Handy telefonieren oder am Computer arbeiten? Solche Schmerzen haben Sie sogar schon nachts aus dem Schlaf aufgeweckt? Derartige Symptome sind typisch für ein häufig verkanntes oder bagatellisiertes Karpaltunnelsyndrom (KTS), bei dem der große mittlere Handnerv (Nervus medianus) durch zu starken Druck umliegender Gewebestrukturen im Handgelenk eingeengt wird. Beschwerden dieser Art als unabänderlich hinzunehmen oder nur mit Schmerzmitteln erträglich zu machen, wäre ein Fehler. Denn die konservativen und operativen Heilungschancen sind heute exzellent, und das bei minimalem Risiko.
Acht sogenannte Karpalknochen bilden im Handgelenk den Boden und die Seitenwände des Karpaltunnels, der auf den Innenseiten beider Handgelenke verläuft. Eine straffe Bindegewebsschicht, das Karpalband, zieht über diesen 3 cm engen Durchlass, durch den sich neun Sehnen, die für das Gleiten der Sehnen zuständigen Membranen (Synovium) und natürlich der Medianus-Nerv zwängen. Gründe, warum der Druck auf den Handnerven rasch zunehmen kann, gibt es viele: Verletzungen, Entzündungen, Arthrosen der Karpalknochen, Fetteinlagerung bei Übergewicht, Gewebeschwellungen (Schwangerschaft, Wechseljahre, rheumatische Erkrankungen), Gewebeumbau bei Schilddrüsenunterfunktion, starkem Alkoholkonsum oder Diabetes. Auch das Schlafen mit gebeugten Handgelenken kann das Problem verschärfen. Und immer bedeutsamer in der modernen Welt und im Hightech-Zeitalter: Überbeanspruchung und unnatürliche Handhaltungen, ob am Steuer bei langen Autofahrten, beim endlosen Internetsurfen am Smartphone, beim stundenlangen Telefonieren oder Dateneingeben am Computer oder beim ständigen Arbeiten mit vibrierenden und hämmernden Werkzeugen. So kommt der aus der Halswirbelsäule austretende und den Arm hinablaufende Medianus-Nerv auf seinem Weg zu den Handflächen im Karpaltunnel unter Druck. Da der Handnerv vor allem für Gefühlswahrnehmungen in den Handflächen zuständig ist, verspüren Betroffene ein unangenehmes Kribbeln, störende Missempfindungen und Taubheitsgefühle oder gar brennende und ziehende Schmerzen.
Abwarten oder handeln?
Liegt dem Karpaltunnelsyndrom eine vorübergehende Störung oder eine gut behandelbare Ursache zugrunde (Schilddrüsenunterfunktion, Diabetes, Entzündung, Schwangerschaft, Wechseljahre, Übergewicht), lohnt sich zunächst geduldiges Zuwarten. Da Mangelzustände an bestimmten Mikronährstoffen und Vitaminen (z.B. bei Fehlernähung, Diabetes oder Alkoholexzess) Nervenschäden auslösen und verschlimmern können, empfiehlt sich flankierend ein höher dosierter, gezielter Ausgleich (B-Vitamine, Folsäure, Alphaliponsäure). Das Tragen einer Handgelenkschiene (vorgefertigt, rezeptfrei, oder vom Orthopäden verordnet) während der Nacht und bei belastenden Handtätigkeiten auch tagsüber kann das Handgelenk entlasten. Auch gezielte Entspannungsübungen, das Einlegen von Arbeitspausen bei beruflicher Zwangshaltung der Hände sowie Physiotherapie und manuelle Therapie sind ratsame Bestandteile der konservativen Therapie. Eine Kortisoneinspritzung in den Karpaltunnel kann kurzfristig Erleichterung schaffen, bewirkt jedoch meist keine nachhaltige Besserung und sollte nicht häufig wiederholt werden. Halten die Beschwerden des Karpaltunnelsyndroms an oder verschlimmern sie sich gar, ist es an der Zeit, über eine mechanische Druckentlastung nachzudenken. Sonst drohen bleibende Nerven- und Muskelschäden, mit Abbau der Handmuskulatur, Einbußen der Handfertigkeit und zunehmender Schwäche in der Hand.
Moderne Operationsmethoden schaffen den nötigen Platz
Die sicherste und wirksamste Form der Druckentlastung im Handgelenk ist die vorsichtige operative Durchtrennung des einengenden Karpalbandes. Durchgeführt wird dies von spezialisierten Orthopäden, plastischen Chirurgen und Handchirurgen. Enorme Fortschritte bei den operativen Techniken erlauben heute eine schonende, nur noch gering invasive, meist ambulante Behandlung mit örtlicher Betäubung und Schmerzausschaltung. Welches Verfahren gewählt wird, hängt in erster Linie vom Befund, von der Spezialisierung und der Erfahrung des Operateurs ab.
Zur Verfügung stehen die konventionelle offene Operation (Vorteil: gute Übersicht, sichere Bandspaltung; Nachteil: etwas größere Narbe, längere Nachbehandlung) und die endoskopische Operation mit Einführen einer winzigen Kamera (Vorteil: kleinere und rascher heilende Narbe, schnellere Heilung; Nachteil: eingeschränkte Übersicht, Bandspaltung gelingt nicht immer ganz). Ganz neu ist eine an der Mayo Clinic entwickelte Operationstechnik mittels Ultraschall und Mikromesser, die sich als besonders schonend erweist, keine Ruhigstellung des Handgelenkes und kaum noch Nachbehandlung erfordert.