Ohne den Einfluss von Cofaktoren wie Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen läuft kaum eine biochemische Reaktion im Körper effizient ab. Viele Stoffwechselprozesse kommen bei kritisch absinkender Mikronährstoffversorgung sogar weitgehend oder ganz zum Erliegen.
Trotz dieser unumstößlichen Tatsachen sehen manche Zeitgenossen in Mikronährstoffen gerne Leichtgewichte, auf die es nicht so genau ankomme, die bei halbwegs gesunder Ernährung quasi von selbst vorhanden seien und für deren geregelten Nachschub keine besondere Vorsorge erforderlich sei. Ganz nach dem Motto: „Ach ja Vitalstoffe, nun dann sind ’se halt auch mal knapp, davon geht die Welt nicht gleich unter!“ Wie fern von der Realität solche Vorstellungen sind, zeigen eindrucksvoll neuere Studien aus dem kalifornischen Oakland Research Institute: denn bereits auf dem Weg in eine knappe Mikronährstoffversorgung wird unser Organismus gezwungen, eine Triage vorzunehmen zwischen absolut unverzichtbaren, weil überlebenswichtigen Stoffwechselprozessen und solchen, die notfalls zurückgefahren oder auch ganz eingestellt werden können. Dies allerdings mit enormen nachteiligen Konsequenzen wie ausbleibender Schadensreparatur, schwelenden Entzündungen, zunehmenden Gewebeschäden und beschleunigter vorzeitiger Alterung.
Triage erzwingt Verschleiß in den Mitochondrien
Solange keine ausgeprägten Mangelerscheinungen oder gar Symptome auftreten, halten viele Therapeuten eine Ergänzung von Vitalstoffen für entbehrlich. In Verkennung realer biologischer und biochemischer Zusammenhänge lehnen manche „Behandler“ auch jeden Substitutionsgedanken in präventiver Absicht ab und suchen selbst bei Vorliegen typischer Symptome und Beschwerden nicht im Bereich der Mikronährstoffdefizite nach einer Problemlösung. Dabei ist heute klar, dass nicht nur gravierende Defizite, sondern bereits leichtere und moderate Einschränkungen in der Verfügbarkeit von Vitaminen oder Mineralstoffen die Wirkeffizienz von Enzymen, Signalstoffen und Hormonen drastisch und folgenreich einschränken können. Nach der Triage-Theorie des US-Forschers und Stoffwechselexperten Bruce Ames gerät der Organismus bei schwindender Verfügbarkeit von Mikronährstoffen immer mehr in Zugzwang, allen unmittelbar lebensnotwendigen biochemischen Reaktionen Vorrang einzuräumen und dafür andere wichtige, aber nur langfristig wichtige Funktionen einzuschränken oder abzuschalten. „Viele Menschen, die sich gedankenlos energiereiche aber vitalstoffarme industriell erzeugte Nahrung einverleiben, verbringen große Teile ihres Lebens im Zustand der biochemischen Triage, mit allen nachteiligen Folgen für ihren Körper“. Und diese Folgen nehmen ihren Ausgang in den Mitochondrien, wo Energiemangel und oxidativer Stress zu Schäden an Ribonukleinsäuren und DNA im Zellkern sowie an Eiweißen und Fetten in den mitochondrialen Membranen ein fatales Programm für Verschleiß, Reparaturfehler und genetische Mutationen in Gang setzen Über Jahre zunehmende Schäden bewirken in den betroffenen Geweben nicht nur Funktionsverlust, Degeneration und rasche Alterung, sondern legen auch die Zündschnur für unkontrolliertes Wachstum und Krebsentstehung.
Vitamin K-Mangel als Beispiel für Triage
Das Szenario der zellulären Triage lässt sich am Beispiel eines Vitamin K-Mangels anschaulich im Tiermodell und beim Menschen illustrieren. Von den 16 bekannten Vitamin K-abhängigen Eiweißen erwiesen sich fünf als absolut lebensnotwendig, da sie die Blutgerinnung gewährleisten. Werden diese fünf in der Leber gebildeten Eiweiße durch Vitamin K nicht ausreichend biochemisch aktiviert (durch gamma-Carboxylierung), ist kein Überleben möglich. Anstatt dies zu riskieren, nimmt unser Organismus bei Vitamin K-Mangelversorgung eher eine ungenügende Carboxylierung der anderen Vitamin K-abhängigen Eiweiße in Kauf. Die im Mausmodell gut beobachtbaren Folgen sind dann ein zunehmender Knochenabbau (Osteoporose), eine rasch fortschreitende Gefäßverkalkung (Atherosklerose) und ein vermehrtes Auftreten spontaner Krebserkrankungen. Um den Preis einer jederzeit gesicherten Blutgerinnung müssen vom Körper also schmerzhafte Kompromisse eingegangen- und selbst schwerwiegende längerfristige Komplikationen in Kauf genommen werden. An Patienten, die langfristig Blutverdünnungsmittel von Marcumar-Typ (Vitamin K-Gegenspieler) einnehmen müssen, lassen sich diese biologischen Abläufe und ihre Folgen (Osteoporose, verkalkte Gefäße, Krebs) augenfällig nachvollziehen. Vitamin K-Mangel ist freilich nur ein Beispiel für einen derartige Triage-Abläufe, die sich bei vielen Mangelzuständen an Vitaminen, Spurenelementen und Mineralstoffen in ähnlicher Weise abspielen
Ernährungsoptimierung, Multivitamin-Präparat oder gezielte Substitution?
Eine Optimierung der Ernährungsqualität und des Ernährungsverhaltens sollten immer an erster Stelle stehen, wenn es um die Sicherstellung einer guten Mikronährstoffversorgung geht. Doch selbst bei „idealer“ Nahrungsauswahlmöglichkeiten (ökologisch, biodynamisch, saisonal, regional) verbleiben große Unsicherheiten wie Verfügbarkeit, Preis, Motivation, Vitalstoffdichte, Aufnahmefähigkeit über den Darm, Mikrobiomqualität, erhöhter Bedarf durch genetische Risiken und Begleiterkrankungen. Hinzu kommt die recht begrenzte Zufuhrmöglichkeit wichtiger Mikronährstoffe (z.B. Vitamin D, Vitamin K, Selen, Zink, Eisen, Folsäure, Thiamin, Omega-3-Fettsäuren, Magnesium) über Lebensmittel bei bestimmten individuellen Ernährungsformen (vegetarisch, vegan, Fleischfreund/Gemüsephobiker, Gluten-/Laktose-Intoleranz). Nicht als Ersatz, aber als Ergänzung eines gesunden Lebensstils befürworten pragmatisch orientierte Ernährungsmediziner deshalb die regelmäßige Einnahme eines gut konzipierten Multivitamin-/mineralstoff-Präparates. Insbesondere bei Zielgruppen mit besonderen Bedürfnissen (Jugendliche, Schwangere, Senioren, Adipöse, Kantinen- und Fastfoodesser) kann so eine verbesserte Mikronährstoffversorgung erreicht werden. Darüber hinaus lohnt es sich, die selbst bei guter Ernährungslage und auch in Multivitamin-Präparaten meist knappen Vitalstoffe (Vitamin D 3000-4000 IE/Tag, Vitamin K2 (100-200 Mikrogramm/Tag), Selen (200 Mikrogramm/Tag), Zink (15-30 mg/Tag), Omega-3-Fettsäuren (2 Gramm/Tag) gezielt bereit zu stellen. Oder setzen Sie lieber auf Risiko und konfrontieren Ihren Körper mit kniffligen Triage-Entscheidungen?