In der Süddeutschen Zeitung soll unter dem Titel „Vorsicht Vitamine“ aus meiner Sicht vermittelt werden, dass Mikronährstoffe in der Schwangerschaft Schaden anrichten können. Das ist natürlich völliger Unsinn, denn Mikronährstoffe sind unverzichtbar und lebensnotwendig. Da während der Schwangerschaft der Stoffwechsel der Mutter deutlich mehr arbeiten muss, ist der Bedarf an Mikronährstoffen sogar noch höher als bei Nicht-Schwangeren.
Aber dieser Unsinn führt bei unbedarften Ärzten und Schwangeren dazu, dass sie nicht ausreichend auf eine optimale Versorgung mit Mikronährstoffen achten und vielleicht sogar Ängste vor Vitaminen entwickeln, was bei Mutter und Kind zu katastrophalen Folgen führen kann.
In der Realität ist es so, dass im Gegensatz zu dem, was der obengenannte Artikel vermittelt, viele Schwangere nicht ausreichend mit Mikronährstoffen versorgt sind: Laut Daten der deutschen nationalen Verzehrstudie II sind üblicherweise Frauen im gebärfähigen Alter und Schwangere nicht optimal mit Mikronährstoffen versorgt. Demnach finden sich schon vor der Schwangerschaft bei mehr als 50 % der Frauen im gebärfähigen Alter Defizite in der Versorgung mit ungesättigten Fettsäuren, Folsäure, Vitamin D, Eisen und Jod sowie bei 30-50 % der Frauen Defizite bei Vitamin C, Vitamin E, Vitamin B1 und Calcium.
Während der Schwangerschaft nehmen diese Defizite trotz der teilweise von Ärzten verordneten Supplementierung sogar zu, so dass sich in der bereits zitierten Verzehrstudie ein für eines der reichsten Länder der Erde geradezu frustrierendes Bild ergibt. Demnach finden sich Mängel vor allem bei folgenden Stoffen:
- Vitamin B1 bei 30,4 % der Schwangeren
- Folsäure bei 87,4 % der Schwangeren
- Vitamin D bei 90,2 % der Schwangeren
- Vitamin E bei 50,7 % der Schwangeren
- Calcium bei 48,8 % der Schwangeren
- Eisen bei 75,4 % der Schwangeren
- Jodid bei 54,7 % der Schwangeren
Flächendeckend besteht zudem eine unzureichende Versorgungslage bei den mehrfach ungesättigten Fettsäuren DHA und EPA. Die Defizite wirken sich bereits in der Placenta negativ auf die Entwicklung des Kindes vor der Geburt und dann auf Gesundheitsrisiken im gesamten späteren Leben aus.
Es scheint also beim Thema Versorgung mit Mikronährstoffen vor und während der Schwangerschaft ein hoher – offensichtlich derzeit nicht genügend umgesetzter – Bedarf an Beratung und Engagement der Gynäkologen für die Motivation von Schwangeren für eine bessere Versorgung mit Nährstoffen zu bestehen. Deshalb sollten Ärzte im Allgemeinen und Gynäkologen im Besonderen vorsichtig sein mit der Aussage, dass es bei Schwangeren keine Nährstoffdefizite gäbe.
Ihr Udo Böhm