Schon seit über 5000 Jahren findet der Naturstoff aus dem Curry-Gewürz (Gelbwurz, lat. Curcuma longa) in der ayurvedischen Medizin, in den Küchen Asiens, aber auch im Therapiearsenal von naturheilkundlichen Ärzten im großen Stil Verwendung. Epidemiologische Studien aus Indien zeigten überraschenderweise, dass in Regionen mit hohem Curcumagebrauch nicht nur Herzkreislauferkrankungen wie Herzinfarkte und Schlafanfälle deutlich seltener vorkommen, sondern insbesondere auch Gehirnabbauerkrankungen wie M. Alzheimer und vaskuläre Demenz. Und da Curcuma auch bei Entzündungen in den Gelenken und im Darm traditionell immer schon gute Dienste leistete, richtete sich das Augenmerk der medizinischen Grundlagenforschung bald auf dessen entzündungshemmendes Potential. Von hier spannt sich der Bogen heute mitten hinein in die aktuellste molekulare Krebsforschung, wo die engen Zusammenhänge zwischen Entzündung, Krebs und Metastasen immer klarer werden.
Stumm ablaufende oder vor sich hin schwelende chronische Entzündungen bewirken im Organismus ein enormes Schädigungspotential, da sie maßgeblich für Gewebeschädigung, Gewebeabbau und Gefäßverschleiß verantwortlich sind. Eine Verschlechterung der Blutversorgung, eine Beschleunigung von Funktionseinbußen und eine Behinderung von Reparatur und Regeneration sind die unmittelbaren Folgen. Doch damit nicht genug: viele Krebserkrankungen entwickeln sich auf dem Boden vorausgehender, chronischer Entzündungen und eines nicht mehr ausreichend balancierten Immunsystems. So gelingt es Krebszellen, sich der Wächterfunktion des Immunsystems zu entziehen, unkontrolliert zu wachsen, Nachbargewebe anzugreifen und schließlich sogar Absiedelungen (Metastasen) in entfernten Körperregionen anzusiedeln.
Ein Gewürzstoff mit pharmakologischen Eigenschaften
Unter den Wirkstoffen in Gemüse, Früchten und Gewürzen, die eine besondere gesundheitsfördernde Wirkung entfalten, sticht Curcuma besonders hervor. Kaum ein anderer natürlicher Wirkstoff wurde bislang so eingehend untersucht und bezüglich seiner biologischen Effekte ähnlich detailliert dokumentiert. Das auch als Turmeric bezeichnete Wurzelknolle zählt zur Familie der Ingwergewächse und besteht aus zahlreichen Komponenten wie polyphenolischen Curcuminoid-Bitterstoffen, ätherischen Ölen, sekundären Pflanzenschutzstoffen und Antioxidantien. In Kombination wirken diese antientzündlich, antiallergisch, wachstumsbremsend und immunmodulatorisch, dank ausgeprägter regulierender Effekte auf diverse Entzündungsbotenstoffe (Zytokine). Durch Hemmung bestimmter Entzündungseiweiße (COX-2, Lipoxygenase und iNOS) wird die Ausschüttung entzündungsfördernder Zytokine blockiert. Hinzu kommen vielfältige schützende Effekte als Radikalfänger auf Zellen insgesamt und auf die DNA im Zellkern. Da die Aufnahme des Gewürzes aus dem Darm ins Blut gering ist (niedrige Bioverfügbarkeit), sollte Curcuma zur Resorptionsverbesserung immer zusammen mit frisch gemahlenem Pfeffer (Piperin) zur Anwendung kommen. Aber auch das im Dickdarm verbleibende Gewürzgemisch ist nicht verloren: Dort wirkt es hemmend auf Entzündung und unkontrolliertes Wachstum, und könnte aufgrund seiner antibakteriellen Eigenschaften die Zusammensetzung der Darmflora (Mikrobiom) verbessern.
Multitalent Curcumin: Nützlich bei vielen Erkrankungen
Der Nutzen einer höher dosierten Anwendung von Curcumin hat nicht nur in der Zellkultur und im Tiermodell überzeugt, sondern ist längst im klinischen Einsatz angekommen. Patienten mit typischen Entzündungserkrankungen wie Darmentzündung (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn), Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis), Gelenkentzündungen (rheumatoide Arthritis, Gicht) und aktivierten Arthrosen, Augenentzündungen (Uveitis anterior), Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris), anderen entzündlichen Hauterkrankungen, Fettleber (NASH) und „leaky gut-Syndrom“ profitieren besonders. Auch bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen und allergischen Erkrankungen (v.a. vom TH-1-Typ) ist das Erfolgspotential beträchtlich. In der ayurvedischen Medizin wird Curcuma traditionell zur Verdauungsförderung, bei Magenverstimmung und Magengeschwüren, zur Ankurbelung der Darmperistaltik bei Verstopfung, Völlegefühl und Blähungen, zur Verbesserung des Fettstoffwechsels sowie zum Leberschutz eingesetzt. Bezüglich Vorbeugung und Behandlung von Krebserkrankungen liegen bislang nur wenige Studien am Menschen vor: günstige Effekte wurden insbesondere in Kombination mit etablierten Chemotherapeutika bei Tumoren des Magen-Darm-Traktes, der Bauchspeicheldrüse, der Prostata, der Brust, der Blase sowie des Gebärmutterhalses beobachtet.
Ungeahnte Perspektiven auch bei Krebs und Metastasen
Erst unlängst konnten Forscher der Universitätsklinik München nachweisen, daß Curcumin die Bildung von Tochtergeschwülsten bei Brust- und Prostatakrebs bremsen kann: Curcumin blockiert in Brust- und Prostatatumorzellen den molekularen Hauptschalter von Entzündungsprozessen, genannt NfkappaB. Durch Blockade bestimmter nachgeordneter Entzündungsmoleküle (CXCL1 und CXCL2) wird so die Absiedlungsneigung der Tumorzellen in die Lungen von Mäusen unterdrückt. An diesem Effekt entscheidend beteiligt sind einige winzige Signalmoleküle, sogenannte mikro-RNAs, die durch Curcuma hochspezifisch reguliert werden.
Neben der alleinigen Wirkung von Curcuma interessiert die Krebsforscher auch das enorme verstärkende Potential des uralten Gewürzstoffes in Kombination mit einer Vielzahl moderner Krebswirkstoffe, ob nun Chemotherapeutika, Antikörper oder Modulatoren der Signaltransduktion. Und da Curcuma selbst in höheren Dosen (2-8 Gramm/Tag) nebenwirkungsarm und gut verträglich ist, könnte die „gelbe Wunderwaffe“ generell zur Vorbeugung gegen Entzündung, Verschleiß und Krebs taugen. Zur Vorbeugung von Krebserkrankungen im Magen-Darm-Trakt (vor allem Dickdarm, aber auch Magen, Bauchspeicheldrüse und Gallenwege) liegen nach Erkenntnissen der Uniklinik Wien bereits ermutigende Befunde vor. Aber auch bei hohem persönlichem oder familiärem Krebsrisiko könnte Curcuma in höheren Dosierungen (in Kapselform) segensreich zum Einsatz kommen. Bremsen dürfte seinen Siegeszug allenfalls überzogene Verheißungen unseriöser Geschäftemacher und die Tatsache, daß die Pharmaindustrie bei der Patentierung und kommerziellen Ausschöpfung von Curcuma (noch) auf Hindernisse stößt.