Die aktuellen Leitlinien der Borreliose gehen davon aus, dass eine dreiwöchige Therapie mit Doxycyclin genügt, um die Erkrankung endgültig auszuheilen. Die Bestimmung von Antikörpern im ELISA und die Bestätigung im Westernblot werden als ausreichende diagnostische Kriterien erachtet. Doch genügen die Ausführungen dieser Leitlinien?
Bereits 1989 war die Persistenz von Borrelia burgdorferi nach antibiotischer Therapie nachgewiesen worden (Preac-Mursic et al.). Hodciz et al. konnten in Tierversuchen zeigen, dass Borrelien nach antibiotischer Behandlung persistieren. Die vor Jahren durch Eisendle et al. durchgeführten mikroskopischen Untersuchungen durch Focus-Floating-Microscopy (FFM) haben dies bestätigt. Er konnte zeigen, dass bei mehr als 1/3 der behandelten Patienten in vorhandenen Hautmanifestationen nach wie vor Borrelia burgdorferi zu finden war. Bei Patienten, die an Neuroborreliose erkrankt waren, wiesen Miklossy et al. Borrelien im Hirngewebe nach. Zum gleichen Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Autoren Middelveen N.J. et al., die nach erfolgter Borreliosebehandlung die behandelten Personen histopathologisch, kulturell und molekulargenetisch untersucht haben. Dabei konnten sie zeigen, dass bei persistierender Symptomatik auch weiterhin die Erreger trotz erfolgter Therapie zu finden waren. Diese Ergebnisse belegen, dass die Ausführungen der Leitlinien ungenügend sind und die Literatur dort selektiv berücksichtigt wird. Wie bei keiner weiteren Leitlinie stellt sich so dringlich die Frage eines BIAS.
Antikörperdiagnostik
Als Erstuntersuchung wird die ELISA-Methode angeführt. Es handelt sich hierbei um eine wenig sensitive Untersuchung, die noch dazu von den einzelnen Herstellern abhängig erhebliche Schwankungen aufweist. Erst wenn die gering sensitive Methode positiv ist, soll die sensitivere Methode, der Westernblot, eingesetzt werden. In einer Metaanalyse kamen die Autoren Cook M. J. und Puri B. K. zu dem Ergebnis, dass diese Methode eine Sensitivität von 59,5 Prozent besitzt. Diese Sensitivität genügt den Ansprüchen der Praxis nicht. Die gleichen Autoren kommen zu dem Schluss, dass falsche negative Ergebnisse bei dieser Form der Diagnostik bei Borreliose 60fach höher sind als bei HIV-Tests. Baumgarth wies nach, dass Borrelien in der Lage sind, die B-Zell-Aktivität zu hemmen und damit die Zellen zu blockieren, die eine entscheidende Rolle bei der Antikörperproduktion spielen.
Unabhängig davon erlaubt die Antikörperdiagnostik nur bei akuten Erkrankungen eine Aussage dazu, ob eine Behandlungsbedürftigkeit vorliegt, wenn IgM-Antikörper positiv sind. Bei chronischen Verläufen bildet der Körper in der Regel ausschließlich IgG-Antikörper, die keine Unterscheidung zwischen einer Behandlung bedürftigen oder abgelaufenen Borreliose erlauben. Gelegentlich persistieren IgM-Antikörper.
Die Bedeutung des Fehlens von Antikörpern
Tierexperimente haben gezeigt, dass bei nicht vorhandenen Antikörpern ein wesentlicher Abwehrmechanismus unterbleibt. Die Komplementaktivierung findet dann nicht statt, die zur Bildung des Membranattackekomplex und der dadurch ausgelösten Lyse der Bakterien erforderlich ist. Es ist also das Gegenteil der Fall: Patienten ohne Antikörper leiden nicht etwa an der Erkrankung nicht, sondern können unter besonders ungünstigen Konditionen erkrankt sein, da eine effektive immunologische Strategie nicht zur Verfügung steht. Der gleiche Nachteil besteht, wenn das Mannose-bindende-Lektin (MBL) den Patienten fehlt.
Lymphozytentransformationstest (LTT)
Die Methodik des Lymphozytentransformationstest (LTT) wurde schon im Manuale Allergologicum (Schulz, Fuchs 1987) publiziert. Der LTT erlaubt eine Aussage darüber, ob sich das Immunsystem aktuell mit einer Borreliose auseinandersetzt oder nicht (Valentine-Thone et al. 2006). Er korreliert also zum klinischen Verlauf und erlaubt es zu entscheiden, ob eine Behandlung notwendig ist oder nicht. In einer Studie (v. Baehr, 2012) konnte gezeigt werden, dass die Ergebnisse des LTT eine hohe Übereinstimmung mit Ausmaß der klinischen Symptomatik aufweisen (Abb. 1). Dies deckt sich auch mit den eigenen Ergebnissen in meiner Praxis. Sowohl für die Patienten als auch für den Arzt/Ärztin ist eben dieser Punkt entscheidend. Es muss die Frage beantwortet werden, ob eine Behandlung notwendig oder ob eine Überwachung ausreichend ist.
Untersuchung der CD57+ NK Zellen
Bei der Untersuchung der CD57+ Natürlichen Killerzellen (CD57+ NK-Zellen) handelt es sich um die immunologische Kontrolle eines der Borreliose häufig assoziierten immunologischen Phänomens (Stricker et al. 2000), das keineswegs für die Borreliose spezifisch ist und bei anderen Infektionen auch vorkommen kann. Aus diesem Ergebnis alleine kann die Diagnose einer Borreliose nicht gestellt werden. Es weist allerdings auf ein immunologisches Defizit hin, dessen Therapie (NK-Zell Modulation) nützlich sein kann. Die Erniedrigung stellt ein Handicap für die Patienten dar ebenso wie die Erniedrigung des Mannose bindenden Lektin (MBL) oder ein Immunglobulinmangel
Liquordiagnostik zur Untersuchung der Neuroborreliose
Nach wie vor wird darauf bestanden, dass zur Diagnostik einer Neuroborreliose die Liquordiagnostik erforderlich ist. Auf dem Borreliose-Kongress in Erfurt 2015 stellt der namhafte Autor Strle (2015) Untersuchungen vor, die an Patienten mit Symptomen einer Neuroborreliose durchgeführt wurden, die einen unauffälligen Liquorbefund aufwiesen. Er kultivierte diesen Liquor und konnte im Liquor solcher Patienten Borrelia burgdorferi kulturell nachweisen, obwohl der Liquor in der üblichen Untersuchung keinen Hinweis darauf erbracht hatte. Diese Analyse belegt, dass Liquoruntersuchungen falsch negativ sein und eine Neuroborreliose nicht wirklich ausschließen können. Diese Aussage wird durch die Ergebnisse von Miklossy gestützt, die in Gehirnen von Alzheimer Patienten Borrelia burgdorferi in einer auffälligen Häufung (OR: 18,3) nachweisen konnte. Dies ist gerade neuerdings von besonderem Interesse, als aktuelle Forschung die Alzheimer Demenz nicht mehr als neurodegenerative sonder entzündliche Krankheit bewertet.
Eigene Untersuchungen
Bereits früh war auf die Persistenz von Borrelien in Ligamenten bei chronischer Borreliose hingewiesen worden (Häupl 1993). Auch bei den meisten Manifestationen an der Haut wie Lichen sclerosus et atrophicus (LSA), Morphea, Acrodermatitis chronica atrophicans und Necrobiosis lipoidica steht die Schädigung der Kollagenfasern im Vordergrund. In der frühen Phase des Befalls kommt es zu einer ödematösen Quellung der Fasern und erst später zu einem atrophen Schwund. Beim Carpaltunnel-Syndrom (CTS) sollte immer eine Borreliose ausgeschlossen werden. In eigenen Untersuchungen an Patienten, die an einer Borreliose erkrankt waren, die mit einem Befall des Kollagengerüsts der Sehen, Bänder, Gelenkkapseln (Abb. 2,3 und 4) und der Darmwand erkrankt waren, konnte ich zeigen, dass der LTT eine signifikante Korrelation besaß (Müller 2012). Auch das Kollagengerüst der Darmwand kann betroffen sein. Es findet sich in solchen Fällen eine Häufung von Divertikeln und bei ca. 25% der Patienten ein lecker Darm (leaky gut), der nicht selten die Entwicklung einer Nahrungsmittelallergie fördert.
Schlussfolgerung
Aufgrund der dargestellten Sachverhalte wird für die Diagnostik der LTT wegweisend genutzt, um die Notwendigkeit der Therapie abzuklären. Ergänzend werden Untersuchungen gewählt, die die Immunaktivierung (TH1/TH2-Profil) und die chronische Inflammation (proinflammatorische Zytokine) belegen können. Es wird der Serotoninhaushalt untersucht, der in der Regel bei chronischen Entzündungen (Dantzer et al. 2017) ebenso absinkt wie der Energievorrat. Einschränkungen der Abwehrleistungen werden abgeklärt. Vorsicht ist geboten, bei an Borreliose Erkrankten voreilig eine Diagnose aus dem psychiatrischen Formenkreis zu stellen. Die Wechselwirkung von Stress und Immunfunktion und die Bedeutung für die Chronifizierung von Infekten wird im nächsten Beitrag behandelt werden.
Literatur
Baumgarth N (2015): B cell immune response subversion by Borrelia burgdorferi. Nationales Lyme-Borreliose Symposium, Erfurt.
Cook M et al. (2016): Commercial test kits for detection of Lyme borreliosis: a meta-analysis of test accuracy. J Gen Med 9: 427-440.
Cook M et al. (2017): Application of Bayensian decision-making
Dantzer et al. (2017): Inflammation and Depression. Springer International 2017.
Eisendle K et al. (2007): Focus floating microscopy „gold standard“ for cutanous Borreliosis? Am J Clin Pathol. 127: 213-21.
Fuchs E, Schulz KH (1987): Manuale Allergologicum. Dustri Verlag.
Häupl T et al. (1993): Persistence of Borrelia burgdorferi in ligamentous tissue from a Patient with chronic Lyme borreliosis. Arthitis & Rheumatism; 36(11): 1621-1626.
Hodciz E et al. (2008):Persitance of Borrelia burgdorferi following Antibiotic Treatment in Mice. Antimikrobial Agents and Chemotherapy. 1728-1736.
Middleveen M et al.(2018): doi:10.20944/preprints201803.0062.v1
Miklossy J et al. (2008): Persisiting atypical and casting forms of Borrelia burgdorferi and local inflammation in Lyme neuroborreliosis. J Neuroinflammation. 40(5): 1742-2094
Müller K (2012): Damage of Collagen and Elastic Fibres by Borrelia Burgdorferi – Known and New Clinical and Histopathological Aspects. The Open Neurol J. 6, (Suppl.1-M11) 179 – 186.
Preac-Mursic V. et al.. (1989): Survival of Borrelia burgdorferi in antibiotically treated patients with Lyme Borreliosis. Infection; 17: 355-359.
Stricker RB et al. (2001): Decreased CD57 lymphocyte subset in patients with chronic Lyme disease. Immunology Letters 76; 18-23.
Strle F (2015): Influence of borrelia species on clinical presentation of Lyme Borreliosis. Nationales Lyme-Borreliose-Symposium, Erfurt.
Valentine-Thon E et al. (2006): A novel lymphocyte transformation testing for Lyme Borreliosis. Diagn Microbil Infect Dis 57: 27-34.
Von Baehr v et al (2012): The Lymphocyte Transformation Test for Borrelia Detects Active Lyme Borreliosis and Varifies Effective Antibiotic Treatment. The Open Neurol J, 6 (Suppl 1-M5) 104-112.