Ärzte sind bei ihren Entscheidungen häufig nicht frei von Interessenkonflikten
Die im Gesundheitswesen Tätigen sind beim Einsatz von medizinischen Maßnahmen häufig nicht neutral beziehungsweise kommt es dabei immer wieder zu Interessenkonflikten. So gaben beispielsweise 56 % der 498 ärztlichen Autoren von 17 häufigen US-amerikanischen kardiologischen Leitlinien Interessenkonflikte zu. Bei den Vorsitzenden der jeweiligen Autorenkomittees waren es sogar 81 % (1). Auch in Deutschland bestehen nach im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichten Daten bei durchschnittlich 85 % der Autoren von Leitlinien Interessenkonflikte (2).
Und selbst die berühmte Cochrane-Organisation ist nicht mehr von solchen Vorwürfen unbelastet. Dort fanden sich bei 9 von 14 an einer Übersichtarbeit zu Impfungen beteiligten Wissenschaftlern „erhebliche“ Interessenskonflikte, weshalb inzwischen befürchtet wird, dass Cochrane von Interessenvertretern unterwandert wird (3).
Aus Sicht von Menelson besteht in all diesen Fällen zumindest die Gefahr, dass die Entscheidungsprozesse, die zu den hier angeführten Beispiels-Empfehlungen führen, durch die Industrie beeinflusst werden.
Bestätigt wurde diese Ansicht jetzt durch eine aktuelle Veröffentlichung aus den USA, wonach Onkologen, die von den Herstellern von Krebsmedikamenten allgemeine Zuwendungen oder Zuwendungen für Forschung erhalten hatten die Präparate dieser Firmen indikationsabhängig um 16 % bis 105 % häufiger verordneten (4).
Es ist aus meiner Sicht richtig und notwendig, dass Ärzte für qualifizierte Arbeit adaequat bezahlt werden, aber die Honorare und die dafür geleisteten Tätigkeiten müssen offengelegt werden, wie es z.B. in USA verpflichtend ist. Zudem erfordert die Zusammenarbeit mit der Industrie ein hohes Maß an Verantwortungsgefühl und an innerer Unabhängigkeit. Die von ärztlichen Meinungsbildnern verbreiteten Informationen müssten stets industrieneutral, werbefrei und objektiv sein und Ärzte – oder auch Heilpraktiker – dürfen sich bei ihren Verordnungen von der Industrie nicht durch Zuwendungen einseitig beeinflussen lassen. Und wir alle müssen uns bemühen, die Umsetzung dieser Ziele zu erzwingen.
Davon bin ich fest überzeugt.
Quellen:
1. Mendelson TB et al.; Conflicts of Interest in Cardiovascular Clinical Practice Guidelines; Arch Intern Med 2011; 171: 577-584
2. Deklaration und Umgang mit Interessenkonflikten in deutschen Leitlinien; Deutsches Ärzteblatt 2015; 112; 445-451
3. Süddeutsche Zeitung 22.2.2013
4. Mitchell AP et al.; Pharmaceutical Industry Payments and Oncologists’ Selection of Targeted Cancer Therapies in Medicare Beneficiaries; JAMA Internal Medicine 2018; doi: 10.1001/jamainternmed.2018.0776