Vom Multiplen chemischen Syndrom MCS und ähnlichen Krankheitsbildern werden infolge der ungebremsten Zunahme von chemischen Stoffen und anderen Umweltbelastungen in unserer modernen Welt immer mehr Menschen betroffen sein – und wahrscheinlich oft mit ihren Leiden alleingelassen werden.
Das MCS ist vom Umweltbundesamt definiert als Beschwerdekomplex aus Allgemeinsymptomen wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, psychischen Beeinträchtigungen und Störungen verschiedener Organsysteme, die von den betroffenen Personen mit einem Kontakt gegenüber Chemikalien unterschiedlicher Art in Verbindung gebracht werden, wobei schon Konzentrationen, die andere Menschen ohne Schwierigkeiten vertragen, zu Beschwerden führen. Karenz von Chemikalien und anderen Schadstoffen bessert die Symptome.
Im WHO Register, für welches das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) zuständig ist, wird das MCS im ICD-10-Kapitel 19 als physische Erkrankung unter „Verletzungen, Vergiftungen“ eingereiht.
Das MCS wird auch zu den „Sensitivity related illnesses“ gerechnet, was einfach ausgedrückt bedeutet, dass besonders empfindsame Menschen eine geringe Toleranz gegenüber Stressoren haben und mit Störungen schon auf kleinste Belastungen reagieren, welche bei anderen Menschen keine Symptome auslösen. Genius beschreibt diese Krankheiten 2010 als Folge eines toxisch induzierten Toleranzverlustes (TILT), der die Individuen empfindlich macht gegenüber geringen Mengen verschiedener und nicht verwandter Auslöser in ihrer Umgebung, wie z. B. chemische, inhalative oder Nahrungsmittelantigene und immunologische, physische und neuropsychologische Manifestationen hervorrufen kann.
In der Betreuung dieser Patienten sind aus meiner Sicht 3 Dinge besonders wichtig:
- Die Betroffenen müssen ernstgenommen und mit Verständnis professionell betreut werden
- Die Belastungsquellen sind zu identifizieren und zu beseitigen. Dazu gehören natürlich nicht nur die Beschwerden verursachenden Chemikalien, sondern auch Triggerfaktoren wie chronische Begleitkrankheiten, Traumen, frühere Infektionskrankheiten und sonstige Umweltbelastungen wie Lärm, Stress oder Strahlung.
- Die körpereigenen organischen und psychischen Ressourcen müssen gestärkt werden. Dies trägt dazu bei, dass die Betroffenen besser mit verbleibenden nicht nachweisbaren, nicht vermeidbaren oder nicht behandelbaren Belastungen umgehen können und ihr Leben wieder erträglicher wird.
Basisaufgabe ist zunächst eine Optimierung des allgemeinen und beruflichen Lebensstils. Daneben ist vor allem eine Stärkung der Barrieren in Darm und Atemwegen (um Zugang für Chemikalien und andere Schadstoffe zu erschweren), des Immunsystems, der Entgiftungsleistung (um eingedrungene Chemikalien möglichst schnell wieder zu beseitigen) und des Neurotransmitterstoffwechsels (um besser mit den längerdauernden Stressbelastungen fertigzuwerden) anzustreben. Letztendlich ist eine Optimierung des Gesamtstoffwechsels notwendig, um Organschäden zu vermeiden oder im Notfall diese besser betreuen zu können.
Das sind verantwortungsvolle Aufgaben, die unseren vollen Einsatz und entsprechendes Grundlagenwissen erfordern. Ich rate deshalb allen mit der Betreuung von MCS-Patienten konfrontierten Personen, sich frühzeitig entsprechend fortzubilden.
Nutzen Sie die Chance, sich als Helfer von diesen Patienten (und von Patienten mit anderen durch chemische, physikalische und biologische Schadstoffe verursachten schweren Langzeitbelastungen wie z.B. der aktuellen Post-viralen Fatigue) zu etablieren. Es lohnt sich für alle.