Psychiatrische Erkrankungen und insbesondere depressive Syndrome nehmen aus verschiedenen Gründen zu. Derzeit stark an Bedeutung gewinnende Ursachen für psychische Störungen bestehen in Fehlernährung und in Defiziten an für den Gehirn-Stoffwechsel essentiellen Stoffen. Der Bereich der Psychiatrie, der sich mit diesem Thema beschäftigt, wird heute unter dem Begriff „Ernährungspsychiatrie“ geführt.
Die Ernährungspsychiatrie beschäftigt sich zunächst damit, welchen Einfluss welche Ernährungsformen auf psychische Erkrankungen haben. Zudem stellt sie sich die Frage, warum das so ist und kommt zu dem Ergebnis, dass die in der Nahrung enthaltenen Mikronährstoffe und die Beeinflussung bestimmter Stoffwechselvorgänge und Organfunktionen für den Erfolg verantwortlich sind.
Die Ernährungspsychiatrie gehört laut einem Artikel in Lancet (Sarris et al. 2015) heute zum „Mainstream“ der Psychiatrie und sollte bei der Behandlung seelischer Störungen mindestens so wichtig eingeschätzt werden wie Medikamente und Psychotherapie.
Die Ernährungspsychiatrie bietet ein Gesamtkonzept aus mehreren sich ergänzenden Bausteinen, dass sich bei entsprechendem Wissen relativ einfach in jeder Praxis erfolgreich und kostengünstig umsetzen lässt und zudem frei von Nebenwirkungen ist.
Es könnte wie folgt aufgebaut sein:
- Die Basis und 1. Baustein für Prävention und Therapie der Depression bildet eine nachhaltig produzierte, pflanzlich orientierte und kalorienangepasste Ernährung in Anlehnung an die traditionale mediterrane Kost.
- Der Baustein beinhaltet einen gesunden Lebensstil mit Optimierung des psycho-sozio-mentalen Befindens und des Umgangs mit Stress sowie die Vermeidung oder zumindest Reduktion von Schadstoffbelastungen und regelmäßige moderate Bewegung.
- Den Baustein des Konzepts stellt die Optimierung der Versorgung mit essentiellen Nährstoffen über die o.g. Ernährung dar. Da der Neurotransmitterstoffwechsel sowie die Funktion von psycho-neuro-endokrino-immunologischem Netzwerk, Darm-Hirn-Achse und Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse von einer guten Versorgung mit Nährstoffen abhängen, müssen evtl. Defizite schnellstmöglich beseitigt werden.
Die o.g. Maßnahmen sollten für vernünftige Gesunde zur Prävention und auch zur Nachbehandlung von Depressionen ausreichend sein.
- Falls eine wie oben beschriebene Ernährung nicht eingehalten wird, bei bekannten Depressionsrisiken oder zur Rezidivprophylaxe empfehlen sich präventiv zusätzlich Supplemente mit den für den Gehirnstoffwechsel essentiellen Leitsubstanzen.
- In der Therapie wird das Konzept ergänzt durch einzelne hochdosierte pharmakologisch wirksame Leit-Mikronährstoffe, Maßnahmen zum Stressmanagement, Psycho- und Verhaltenstherapie sowie bei Bedarf durch standardisierte pflanzliche Psychopharmaka.
- In therapieresistenten Fällen (trotz Einhaltung o.g. Maßnahmen) kann der Einsatz chemischer Antidepressiva zusätzliche Effekte vermitteln.
Auf Grund der aus meiner Sicht bahnbrechenden neuen Erkenntnisse aus der modernen Psychiatrie möchte ich alle engagierten Kolleginnen und Kollegen anregen, sich intensiver im Bereich der Ernährungspsychiatrie und der zugrundeliegenden biochemischen Mechanismen sowie der großen Bedeutung von Mikronährstoffen bei der Vermeidung und der Therapie von psychischen Erkrankungen zu schulen.
Patienten und insbesondere Risikopersonen für psychische Erkrankungen möchte ich wiederum empfehlen, sich baldmöglichst an auf diesem Gebiet kompetente Therapeuten zu wenden, um die Maßnahmen rund um ihre eigene Erkrankung zu optimieren.
Ihr Udo Böhm