In der Medizin ist der Trend zur Individualisierung seit einigen Jahren zu beobachten. Dort spricht man von der Personalisierten Medizin und inzwischen auch von der Präzisionsmedizin.
Nachdem man Therapieempfehlungen über viele Jahrzehnte einzig und allein aus großen, Placebo-kontrollierten Studien abgeleitet hat (Evidenz-basierte Medizin), beginnt man nun zu verstehen, dass sich solche Studienresultate nicht auf jeden übertragen lassen. Dass manch einer von einer bestimmten Therapie profitiert, obwohl sie der großen Masse nicht genutzt haben. Oder dass jemand eine Behandlung eben nicht toleriert, obwohl er es laut Studienlage doch eigentlich müsste.
Ganz besonders in der Tumortherapie setzen sich personalisierte Ansätze immer mehr durch und werden auf den ganz speziellen, auch genetischen Subtyp des jeweiligen Tumors zugeschnitten. Auch in der Prävention beobachten wir eine zunehmende Individualisierung. So muss eben nicht jeder erhöhte Cholesterinspiegel medikamentös gesenkt werden. Und es muss eben auch nicht generell dazu geraten werden, auf Butter, Weizen und Eier zu verzichten.
Generelle Ernährungsempfehlungen sind out
Wobei wir schon beim Thema Ernährung sind. Sowohl in der Fachliteratur als auch in der Laienpresse wird darum gestritten, welches die beste Ernährungsform oder Diät ist. Mittelmeer, Low Fat, Low Carb, Keto und Co.: Natürlich gibt es einige generelle Empfehlungen zu reduziertem Fleischkonsum und ausreichendem Obst- und Gemüseverzehr. Doch da hört es auch schon auf. Zu unterschiedlich sind die individuellen Bedürfnisse und Empfindlichkeiten, von der Lactose- über die Fructose-Intoleranz bis hin zur Gluten-Unverträglichkeit und immer neuen Nahrungsmittelallergien. Denn was nützt die gesündeste Ernährung, wenn dadurch man ständig unter Blähungen, Durchfall, Verstopfung oder Hautproblemen zu leiden hat?
Nahrungsergänzung: hin zu individuell und personalisiert
Auch Nahrungsergänzungsmittel können zu einer gesunden Ernährung beitragen. Und es leuchtet ein, dass das Gießkannenprinzip im Einzelfall auch hier mehr schaden als nutzen kann. So unterscheidet sich der Vitamin B12-Bedarf beispielsweise abhängig davon, ob eine Person Fleisch isst oder komplett vegan lebt, ob sie das Vitamin normal aufnimmt oder unter einer Vitamin B12-Resorptionsstörung leidet. Herausfinden kann man den genauen Bedarf nur durch eine Messung des Vitamins im Blut. „Vor die Therapie haben die Götter die Diagnose gesetzt“ sagen wir in der Medizin. Gemeint ist, dass wir erst dann mit einer konkreten Behandlung beginnen sollen, wenn wir wissen, was der Patient genau hat. Das gilt im Prinzip auch für die Nahrungsergänzung. Wir müssen die Defizite einer Person kennen, um sie gezielt ausgleichen zu können. Sonst können wir Nahrungsergänzungsmittel im schlimmsten Fall sogar überdosieren. Vitamin D ist hierfür ein gutes Beispiel, da es bei erhöhten Spiegeln im Blut toxisch wirken kann.
Wie geht das konkret?
Je mehr man über einen Menschen weiß, umso genauer kann man ein Nahrungsergänzungsmittel auf sie oder ihn zuschneiden. Wir empfehlen hier ein dreistufiges Vorgehen. In der ersten Stufe wird durch einen Fragebogen ermittelt, welche Nahrungsergänzungsmittel bereits eingenommen werden und woran es der betreffenden Person subjektiv fehlt. Ist der Mensch zum Beispiel häufig müde und abgeschlagen, oder leidet er/sie häufiger unter Entzündungen und Infektionen, oder bestehen Wechseljahresbeschwerden? Auch muss erfragt werden, welche Nahrungsergänzungsmittel bereits eingenommen werden. Schon auf dieser Basis lässt sich ein recht genaues persönliches Profil erstellen, auf Basis dessen eine bestimmte Mikronährstoff-Mischung empfohlen werden kann. Diese erste Stufe der Individualisierung wird mittlerweile auch online von einigen Firmen angeboten, etwa in Form einer bestimmten Auswahl an Kapseln oder in flüssiger Form als ein typengerechter Mikronährstoffmix zum Trinken.
Noch präziser lassen sich Nahrungsergänzungsmittel individualisieren, wenn zuvor ein genaues Laborprofil inklusive Vitamin-Status erstellt wird (Stufe 2) oder zusätzlich ein kompletter Gesundheits-Check durchgeführt wird (Stufe 3). Dafür muss man natürlich einen gewissen Aufwand betreiben und eine auf präventive Medizin spezialisierte Praxis aufsuchen. Aber wie hieß es bereits im alten China: „Der Kluge geht schon als Gesunder zum Arzt“.
Aber ganz gleich, auf welcher Basis das individualisierte Nahrungsergänzungsmittel erstellt wurde, in jedem Fall bedarf es einer Nachbetrachtung, also nach drei Monaten muss man sich fragen: Hat mir das Nahrungsergänzungsmittel genützt? Fühle ich mich besser? Wo könnte es noch besser laufen? Und bei Stufe 2 und 3 zusätzlich: Haben sich meine Blutwerte verbessert? Je nachdem, wie diese Fragen beantwortet werden, sollte die individuelle Mikronährstoffmischung dann unverändert weiter eingenommen oder entsprechend angepasst werden. Wiederum individuell natürlich.