Ballast gilt üblicherweise als etwas, was man auf Reisen aber auch im Alltag unnütz mit sich herumschleppt. Das Ziel ist es, diesen in Hinblick einer besseren Lebenshygiene zügig aussortieren sollte. Doch in Sachen Ernährung, Verdauung und Darmgesundheit gilt exakt das Gegenteil: Erst Ballaststoffe schaffen die Grundlage für eine gesunde Darmtätigkeit, für ein wohl organisiertes Mikrobiom und für ausgeglichene Stoffwechselfunktionen.
Während Ballaststoff-arme industrielle Ernährungsformen seit Jahren das Ernährungsbild der Bevölkerung prägen und die gesundheitlichen Folgen dieses Irrwegs immer offenkundiger werden, greifen die PR-Abteilungen der Nahrungsmittelkonzerne nun zum neuesten Business-Trick: die Wiederzugabe von Ballaststoffen an zuvor industriell von Ballaststoffen entkernte Produkte vermarkten sie als neuesten, innovativen Gesundheits-Hit unter dem Zauberwort „Functional Food“! Und sie reüssieren auch noch mit dieser fragwürdigen Strategie bei einer in Sachen Ernährung weitgehend unbedarften und orientierungslosen Konsumentenherde.
Was sind Präbiotika und was leisten sie?
Präbiotika sind nicht oder nur schwer verdauliche Lebensmittelbestandteile, die das Wachstum und die Aktivität von Bakterien im Dickdarm fördern. Die Zufuhr von Nahrungsmitteln mit hohem Anteil an präbiotischen Komponenten verfolgt also das Ziel, Bakterien mit günstiger Wirkung im Darm durch üppige Versorgung mit ihren „Lieblingsnahrungsstoffen“ quasi bei Laune zu halten, ja zu verwöhnen, um so eine gezielte Bestandspflege erwünschter Bakterienkolonien vorzunehmen. Im Unterschied hierzu verfolgt der Einsatz von probiotischen Produkten unter dem Marketing-Label „Functional Food“ das Konzept, dem Darm – beispielsweise über Milchprodukte wie Joghurts – erwünschte Bakterienpopulationen wie Lactobazillen, Bifidobakterien, Streptokokken und spezielle Hefen zuzuführen. Ob diese sich im Darm freilich zur dauerhaften Besiedelung einnisten, ist nach heutigem Kenntnisstand unwahrscheinlich. Realistischer ist eine rasche Ausscheidung mit dem Stuhl und daher ein kontinuierlicher Nachschubbedarf, was aus Herstellersicht eher begrüßt denn bedauert wird. Als Synbiotika werden Lebensmittel bezeichnet, die eine Kombination aus probiotischen und präbiotischen Zutaten enthalten, also quasi die erwünschten Bakterienkulturen und ihr Lieblingsfutter im Doppelpack zuführen.
Präbiotika: ein Universalschlüssel für die Volkskrankheiten?
Die Aufspaltung und Nutzung von Ballaststoffen und rohen Faserstoffen (Rohkost) im menschlichen Darm hat die Natur nicht selbstversorgerisch geregelt, sondern an die dort siedelnden gut 500 Spezies mit einer Bakterienbevölkerung von ca. 1014 Mitgliedern delegiert. Nur diese mit dem Menschen in Symbiose lebenden mikrobiellen Heerscharen verfügen über die nötigen Enzyme und Mechanismen, um dem menschlichen Organismus aus den Ballaststoffen in Obst, Gemüse und Vollkornprodukten die unverzichtbaren Vitalstoffe zu erschließen. Und dabei auch noch den unverzichtbaren Zugang zu kurzkettigen Fettsäuren (v.a. Propionsäure, Buttersäure, Milchsäure) zu erschließen, die für ein günstiges, schwach saures Dickdarmmilieu (pH 5.5-6.8) erforderlich sind.
Schon Jahrzehnte alte Studienbefunde zeigten, dass eine reichliche Ballaststoffzufuhr (beispielsweise Haferflocken, Leinsamen und Flohsamenschalen zum Frühstück) das Blutzuckerprofil glättet und nicht wenige Stoffwechselfunktionen erheblich günstiger ablaufen lässt. Nun aber häufen sich aktuell Studienbefunde, denen zufolge die scheinbar so dröge wirkenden Ballaststoffe – wie Phoenix aus der Asche – als Wegbereiter und Garanten der Darmgesundheit auferstehen! Und nicht nur das: auch bei den immer mehr Überhand nehmenden Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Insulinresistenz, Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen, Divertikulose, „Leaky gut-Syndrom“ und Krebs sehen Forscher nun in den präbiotisch wirksamen Ballaststoffen in Obst, Früchten und Gemüse höchst wirksame Ansätze für Prävention und Therapie.
Ja selbst bei den so schwierig zu behandelnden Autoimmunerkrankungen (entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn, rheumatoide Arthritis, Morbus Basedow, Hashimoto-Thyreoiditis u.a.) dürfte neuesten Erkenntnissen zufolge ein Schlüssel zum Verständnis, zur Vorbeugung und zur Behandlung im Immunsystem des Darmes liegen, das unter dem Einfluss von Präbiotika durch kurzkettige Fettsäuren günstig beeinflusst und besser ausbalanciert wird.
Bohnen & Co für ein gesundes Herz und einen intakten Stoffwechsel
Herz- und Gefäßerkrankungen – neben Krebs die Haupttodesursache in der westlichen Welt – entstehen nicht aus dem Nichts, sondern auf dem Boden von Übergewicht, Bluthochdruck, Fettstoffwechselerkrankungen, Diabetes und chronischen Entzündungen, häufig durch schwelende Infektionen in Gang gehalten. Neben Bewegungsmangel gilt insbesondere eine jahrzehntelange Fehlernährung als Hauptrisikofaktor. Ballaststoffe aus einer pflanzlichen Ernährung, die wie eine klassische mediterrane Ernährung schwerpunktmäßig auf Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse und Vollkornprodukte setzt, füttern und stabilisieren das Darmmikrobiom, wirken chronischen Entzündungen entgegen, verbessern den Zucker-, Fett- und Insulinstoffwechsel, senken den Blutdruck und helfen beim Abbau von schädlichem Bauchfett. Darüber hinaus tragen die fermentierten Ballaststoffe, sekundären Pflanzenstoffe, Antioxidantien und Vitalstoffe dazu bei, im Dickdarm ein schwach saures, Krebs-unfreundiches Milieu zu schaffen und das Immunsystem des Darmes so zu beeinflussen, dass einerseits die Immunabwehr des Organismus verbessert, gleichzeitig aber autoimmune und allergische Tendenzen unterdrückt werden.
Gute Ballaststoffquellen: kluge Nahrungsmittelauswahl ist gefragt!
Ballaststoffe in Form langkettiger Kohlenhydrate wie Inulin, Oligofruktose, resistente Stärke und Betaglukane bilden eine bevorzugte Nahrungsquelle für günstige Bakterienkulturen im Darm. Abwechslung ist dabei angesagt, denn längst nicht alle Präbiotika munden auch allen günstigen Bakterienspezies, und auch Bakterien der unfreundlicheren Gattung scheinen Vorlieben für gewisse Ballaststoffe zu hegen.
Zu den besten Ballaststofflieferanten mit günstiger präbiotischer Relevanz zählen Obst (Äpfel, Birnen, Beeren, Kiwis, Zitrusfrüchte), getrocknete Früchte (Pflaumen, Rosinen, Cranberries, Aprikosen), Gemüse (Brokkoli, Karotte, Kartoffel, Weißkohl, Rosenkohl, Artischocke, Chicorée, Lauch, Zwiebel, Spargel, Schwarzwurzel, Pastinake), Vollkornprodukte (Vollkorn-Brot/Nudeln), Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen, Linsen), Nüsse und Samen (Flohsamenschalen).
Mit dieser pflanzlich-präbiotischen Grundausrichtung lassen sich manche probiotischen Lebensmittel gut kombinieren. Als bevorzugte Probiotikaquellen gelten Joghurt, Kefir, Sauermilch, Hüttenkäse, frisches Fass-Sauerkraut, eingelegte saure Gurken, Miso (japanische Gewürzpaste), Kombucha (fermentierter Tee), Apfelessig und Hartkäse. Dem vegetarisch-prä/probiotisch eingestimmten Gourmet sind also – was seine gesundheitsfördernden Auswahlmöglichkeiten betrifft – kaum Grenzen gesetzt.